Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
Vom Netzwerk:
undeutlicher Schatten füllte den Türrahmen aus, aber man konnte nicht erkennen, wer es war. Harlow rührte sich nicht und atmete weiter wie im Tiefschlaf. Nach ein paar Sekunden zog der Eindringling die Tür ebenso geräuschlos hinter sich zu, wie er sie geöffnet hatte, und Harlows empfindliches Gehör stellte fest, daß sich die Schritte wieder entfernten. Harlow setzte sich auf, rieb sich verwirrt und unentschlossen das Kinn, stand schließlich auf und bezog Posten am Fenster.
    Ein Mann, diesmal klar als Jacobson erkennbar, hatte gerade das Haus verlassen. Er ging über die Straße, und in diesem Augenblick bog ein dunkler Wagen, ein kleiner Renault, um die Ecke und hielt fast genau gegenüber von Harlows Zimmerfenster. Jacobson beugte sich zu dem offenen Wagenfenster hinunter und sprach mit dem Fahrer, der die Tür öffnete und ausstieg. Er zog seinen dunklen Mantel aus, faltete ihn sorgsam zusammen – seine Bewegungen hatten etwas Unangenehmes, ja sogar Drohendes –, legte ihn auf den Rücksitz, klopfte sich auf die Taschen, als wolle er sich vergewissern, daß er alles bei sich hatte, nickte Jacobson zu und kam über die Straße auf die Villa zu. Jacobson drehte sich um und ging davon.
    Harlow legte sich wieder auf das Bett, schob die Hand mit dem Totschläger unter das Kopfkissen und wandte das Gesicht dem Fenster zu. Seine Augen waren nur einen Spalt breit geöffnet. Gerade als er sich bequem zurecht gelegt hatte, erschien eine schattenhafte Gestalt am Fenster und spähte herein. Harlow konnte nicht erkennen, wer es war, denn das Licht der Straßenlaternen fiel von hinten auf die Gestalt. Die Gestalt hob die Hand, und der Gegenstand darin war sehr gut zu erkennen: Es war eine große, recht unangenehm aussehende Pistole, und Harlow sah, wie der Sicherungshebel zurückgeschoben wurde. In diesem Augenblick erkannte er, daß ein länglicher, zylindrischer Gegenstand auf den Lauf aufgeschraubt worden war: ein Schalldämpfer, der offenbar dazu dienen sollte, Harlow möglichst geräuschlos ins Jenseits zu befördern. Die Gestalt verschwand.
    Harlow verließ hastig das Bett. Wenn der Gegner eine Pistole hatte, war man mit einem Totschläger nicht ganz konkurrenzfähig. Harlow ging quer durch den Raum und stellte sich mit dem Rücken an die Wand, etwa sechzig Zentimeter von der Tür entfernt, und zwar auf der Seite, nach der die Tür aufging.
    Zehn lange Sekunden, die Harlow ziemlich nervenaufreibend fand, herrschte völlige Stille. Dann knarrte draußen im Flur kaum hörbar ein Dielenbrett – in der Villa lagen die Perserteppiche nicht gerade doppelt. Die Türklinke wurde mit geradezu quälender Langsamkeit heruntergedrückt, und dann öffnete sich die Tür lautlos Millimeter um Millimeter. Als der Spalt ungefähr zwölf Zentimeter groß war, erschien vorsichtig ein Kopf in der Öffnung. Der Eindringling hatte ein hageres, dunkles Gesicht, schwarzes, glattes Haar und ein Menjoubärtchen.
    Harlow verlagerte sein ganzes Gewicht auf sein linkes Bein, hob das rechte und trat genau unter dem Schlüsselloch, aus dem der Schlüssel in weiser Voraussicht von irgend jemandem entfernt worden war, mit voller Wucht gegen die Tür. Die Reaktion bestand aus einer Mischung von undeutlichem Husten und unterdrücktem Schmerzensschrei. Harlow riß die Tür mit einem Ruck auf und trat höflich beiseite, als ein dünner, kleiner Mann im dunklen Anzug ins Zimmer stolperte. Er preßte beide Hände – in der rechten hielt er immer noch krampfhaft die Pistole – gegen die blutverschmierte Mitte seines Gesichts. Die Nase war ganz bestimmt gebrochen, und was den Zustand der Backenknochen und Zähne betraf, so konnte man nur vage Vermutungen anstellen.
    Aber Harlow machte sich gar nicht die Mühe, derartige Vermutungen anzustellen. Auf seinem Gesicht lag nicht der leiseste Anflug von Mitleid. Er holte kräftig aus, und der Totschläger traf den Eindringling über dem rechten Ohr. Der Mann sank stöhnend zu Boden. Harlow nahm die Waffe aus der jetzt schlaffen Hand und fuhr mit seiner linken Hand suchend über den Körper des Mannes. Am Gürtel entdeckte er ein Messer und nahm es an sich. Er zog es aus der Scheide: Es war zwölf Zentimeter lang, zweischneidig, nadelspitz und rasiermesserscharf. Vorsichtig ließ Harlow es in die Außentasche seiner Lederjacke gleiten, überlegte kurz, holte das Messer wieder heraus und steckte statt dessen die Pistole weg, packte den Mann an seinen fettigen Haaren und zog ihn ohne jede Rücksicht auf

Weitere Kostenlose Bücher