Dem Sieger eine Handvoll Erde
heraufgeflogen. Harlow fing sie auf und ließ sie auf den Rasen fallen. Er packte den Ast, schwang sich weit hinaus und stand fünf Sekunden später wieder auf festem Boden.
Als er aus einer kleinen Gruppe dicht beieinander stehender Bäume trat, sah er den Lichtschimmer, der aus einem Zimmer im Parterre durch die Vorhänge nach draußen fiel. Die massive Eichentür war zu und höchstwahrscheinlich auch verriegelt. Aber Harlow war sowieso der Ansicht, daß nur ein Mensch mit akuten Selbstmordabsichten daran denken konnte, das Haus durch den Haupteingang zu betreten. Er näherte sich dem Haus von der Seite, wobei er sich so weit als möglich im Schatten hielt. Die Fenster im Parterre boten keine Möglichkeit, in das Haus einzudringen – sie waren ausnahmslos vergittert. Der Hinterausgang war verschlossen, und Harlow fiel ein, daß sich der einzige Dietrich, mit dem er die Tür aufschließen konnte, im Haus befand.
Lautlos glitt er um das Haus herum zur anderen Seite. Die vergitterten Fenster würdigte er nicht einmal eines Blickes. Er schaute nach oben, und sofort bemerkte er ein Fenster, das einen Spalt weit offenstand. Der Spalt war vielleicht nur sechs Zentimeter breit, aber er war immerhin vorhanden. Harlow schaute sich im Park um. Ungefähr zwanzig Meter von ihm entfernt sah er eine Blumenrabatte, einen Gärtnerschuppen und ein Gewächshaus. Entschlossen ging er darauf zu.
Währenddessen ging Rory draußen nervös auf und ab und streifte das Seil immer wieder mit unentschlossenen Blicken. Plötzlich traf er eine Entscheidung, griff nach dem Seil und begann, sich daran hochzuziehen.
Als er sich auf der anderen Seite der Mauer auf den Boden fallenließ, hatte Harlow bereits eine Leiter an das Fenstersims gelehnt und war bis zum Fenster hochgestiegen. Er zog seine Taschenlampe heraus und untersuchte sorgfältig beide Seiten des Fensters: Die Drähte, die sich am Fensterrahmen entlangzogen, waren eindeutig die elektrischen Leitungen, die Harlow gesucht hatte. Harlow griff in seine Segeltuchtasche, holte die Drahtzange heraus, durchschnitt die beiden Drähte, schob das Fenster hoch und kletterte hindurch.
Nach zwei Minuten hatte er sich vergewissert, daß sich niemand im ersten Stock aufhielt. Mit der Tasche und der ausgeschalteten Taschenlampe in der einen und der Pistole mit dem aufgesetzten Schalldämpfer in der anderen Hand glitt er lautlos die Treppe zur Eingangshalle hinunter. Durch eine angelehnte Tür fiel ein Lichtschein, und dahinter waren Stimmen zu hören. Eine davon – eine weibliche – drang besonders deutlich heraus. Aber dieser Raum interessierte ihn momentan nicht. Er schlich durch das Parterre und überzeugte sich, daß alle Zimmer leer waren. In der Küche sah er im Schein seiner Taschenlampe eine Treppe, die offensichtlich in den Keller führte. Harlow stieg hinunter und ließ den Strahl seiner Taschenlampe über den Betonfußboden und die Betonwände des Kellerraumes wandern. In die Wände waren vier Türen eingelassen. Drei von ihnen sahen völlig normal aus, aber an der vierten waren zwei massive Riegel angebracht, und im Schlüsselloch steckte ein schwerer Schlüssel, der zur Tür eines mittelalterlichen Kerkers gepaßt hätte. Harlow schob die Riegel zurück, drehte den Schlüssel herum, trat in den Raum und suchte und fand den Lichtschalter.
Was immer es auch sein mochte, ein Kerker war es jedenfalls nicht. Es sah viel eher wie ein sehr modernes Laboratorium aus, obwohl man auf den ersten Blick nicht erkennen konnte, wozu alle die Apparaturen dienten. Harlow ging zu einer Reihe von Aluminiumkästen hinüber, hob einen der Deckel ab, roch an dem puderähnlichen Inhalt, rümpfte angeekelt die Nase und machte den Deckel wieder zu. Auf dem Weg nach draußen entdeckte er an einer der Wände ein Telephon, mit dem man, nach der Wählscheibe zu urteilen, nach draußen telephonieren konnte. Er zögerte, zuckte schließlich die Achseln und verließ den Raum, wobei er die Tür offen- und das Licht eingeschaltet ließ.
Während Harlow die Kellertreppe hinaufstieg, stand Rory, dicht in den Schatten gepreßt, am Rand der kleinen Baumgruppe, von wo aus er sowohl die Front als auch die Seiten des Hauses sehen konnte. An seinem Gesicht konnte man deutlich erkennen, daß er sich fürchtete. Und dieser Ausdruck wurde noch um einige Grade verstärkt, als plötzlich ein gedrungener, sehr kräftiger Mann in dunklen Hosen und einem dunklen Rollkragenpullover hinter dem Haus hervorkam. Einen Augenblick
Weitere Kostenlose Bücher