Dem Sieger eine Handvoll Erde
überarbeiten.«
»Mr. Dunnet ist ein Koordinator. Und ich bin sozusagen sein Außendienstmitarbeiter.«
»Ja, ja. Aber was tun Sie?«
»Ich stelle Nachforschungen über andere Grand-Prix-Fahrer an. Besser gesagt, ich überwache sie. Und die Mechaniker – jeden, der irgendwie mit den Rennen zu tun hat.«
»Ich verstehe«, sagte Rory, aber man sah ihm an, daß er überhaupt nichts verstand. »Halten Sie mich bitte nicht für unverschämt, aber warum hat man gerade Sie für diesen Job ausgewählt? Warum hat man Sie nicht aufs Korn genommen?«
»Eine berechtigte Frage. Wahrscheinlich deshalb, weil ich in den letzten zwei Jahren soviel Glück hatte, daß sie vermuteten, ich würde auf ehrliche Weise mehr Geld verdienen, als ich bei krummen Geschäften würde herausschlagen können.«
»Das ist einleuchtend.« Rory hatte seine hartnäckigen fünf Minuten. »Aber warum haben Sie Nachforschungen angestellt?«
»Weil seit einem Jahr irgend etwas auf den Grand-Prix-Strecken ganz und gar nicht in Ordnung war. Wagen, von denen man sicher angenommen hatte, daß sie gewinnen würden, verloren völlig überraschend. Und andererseits gewannen Wagen, denen man nicht die geringste Chance eingeräumt hatte. Es gab mysteriöse Unfälle. Wagen schieden ohne jeden ersichtlichen Grund aus. Sie hatten unerklärlicherweise plötzlich kein Benzin mehr. Motoren wurden durch einen geheimnisvollen Verlust von Öl oder Kühlflüssigkeit oder beidem überhitzt. Fahrer erkrankten zu den merkwürdigsten – und unpassendsten – Zeiten. Und da es soviel Prestige, Stolz, Macht und vor allem Profit bringt, wenn man einen erfolgreichen Wagen auf die Piste schicken kann, war der erste Gedanke, daß vielleicht einer der Teamchefs die Absicht hatte, den Markt aufzukaufen.«
»Aber das war falsch, ja?«
»Sehr richtig. Das wurde klar, als die Fabrikanten und Teamchefs erkannten, daß es ihnen allen an den Kragen ging. Als sie sich an Scotland Yard wandten, erfuhren sie, man hätte keine Möglichkeit, einzugreifen. Scotland Yard wandte sich an Interpol, genauer gesagt an Mr. Dunnet.«
»Aber wie kamen Sie auf solche Leute wie Neubauer und Tracchia?«
»Hauptsächlich auf illegale Weise. Durch Bewachung der Telephonzentrale rund um die Uhr, durch strenge Überwachung aller Verdächtigen bei jedem Grand-Prix-Treffen und Überprüfung der ein- und ausgehenden Post. Wir entdeckten, daß fünf Rennfahrer und sieben oder acht Mechaniker mehr Geld horteten, als sie auf legalem Weg verdienen konnten. Aber die meisten arbeiteten nur sporadisch. Es ist unmöglich, an jedem Rennen etwas zu drehen. Nur Tracchia und Neubauer kassierten nach jedem Rennen. Also nahmen wir an, daß sie etwas verkauften – und es gibt nur eine Sache, mit deren Verkauf man soviel unehrliches Geld machen kann.«
»Drogen. Heroin.«
»Sehr richtig.« Harlow deutete nach vorn. Vor ihnen leuchtete im Licht der Scheinwerfer das Ortsschild von Bandol auf. Harlow runzelte die Stirn, kurbelte das Fenster herunter, steckte den Kopf hinaus und schaute nach oben: Allmählich zogen Wolken herauf, aber der sternklare Himmel überwog noch immer. Harlow zog seinen Kopf zurück und sagte: »Wir hätten uns auch eine bessere Nacht für unsere Aufgabe aussuchen können. Es ist verdammt hell. Deine Mutter wird bestimmt bewacht – mindestens von einem. Die Frage ist, ob sie auf ihrem Posten sind. Schließlich wissen sie ja, daß deine Mutter nicht davonlaufen kann, und sie haben auch keinen Grund zu dem Verdacht, daß irgend jemand an Bord der ›Chevalier‹ kommen könnte. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, auf welche Weise sie erfahren haben sollten, in was für eine Pechsträhne Neubauer und seine Kumpane geritten sind. Aber ein Prinzip war unbedingt nötig, damit eine Organisation wie die der Gebrüder Marzio sich so lange halten konnte: nie ein Risiko eingehen.«
»Also setzen wir vorsichtshalber voraus, daß eine Wache da sein wird, Mr. Harlow?«
»Genau das.«
Harlow fuhr in die kleine Stadt hinein und parkte den Wagen auf einem kleinen, mit einem hohen Zaun umgebenden Bauplatz, der von dem schmalen Gäßchen draußen nicht einzusehen war. Sie stiegen aus dem Wagen und schlichen bereits kurze Zeit später, immer soweit wie möglich in Deckung bleibend, am Wasser entlang durch den Hafen. Schließlich bleiben sie stehen und ließen die Blicke aufmerksam über die Bucht wandern.
»Ist sie das nicht?« Obwohl weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, flüsterte Rory.
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