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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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verschwinden ließen, um sie später auf Brandbeschleuniger zu untersuchen, ging ich die möglichen Szenarien durch.
    Im Durchschnitt werden pro Woche drei bis vier Brandleichen in unser Institut gebracht. Und bis zu diesem Tag lag, abgesehen von wenigen Suiziden, immer ein Unfall zugrunde. Was besonders häufig vorkommt: Jemand schläft mit der brennenden Zigarette in der Hand ein und steckt so die Wohnung in Brand. Meist ist übermäßiger Alkoholkonsum dafür verantwortlich, dass er oder sie nicht rechtzeitig aufwacht, um sich noch in Sicherheit zu bringen.
    Deutlich seltener sind explosive Gefahrenstoffe im Spiel, und wenn, dann meist in beruflicher Umgebung und mit verheerenden Folgen. Jeder erinnert sich wahrscheinlich an das Unglück in einer Feuerwerkfabrik im niederländischen Enschede, bei dem im Mai 2000 der Sprengstoff von rund 100 Tonnen Feuerwerkskörpern mitten in einem dichtbesiedelten Wohnviertel explodierte. 23 Menschen starben und weitere 947 wurden zum Teil schwer verletzt.
    Auch eine defekte Gastherme kann eine Explosion auslösen. Oder hatte hier jemand mit brennbaren Flüssigkeiten hantiert? Ich musste an einen Sportreporter mit einem albernen Spitznamen denken, der es sich vor einigen Jahren einmal im Bett seines Hotelzimmers mit einer Flasche Stroh-Rum und einer Zigarette bequem gemacht hatte. Dann hatte er versehentlich die brennende Zigarette in die Rumflasche fallen lassen, und es war zu einer gewaltigen Stichflamme gekommen, die seine rechte Körperhälfte schwer verbrannt hatte.
    Durch Chaträume und Mystery-Serien spukt auch immer mal wieder die zweifelhafte Theorie, dass ein menschlicher Körper ohne Außeneinwirkung oder einen sonstigen erkennbaren Grund von einem auf den anderen Moment verbrennen kann. Ich selbst hatte jedoch noch mit keinem Fall von Spontaner Selbstentzündung (im Angloamerikanischen »Spontaneous Human Combustion«) zu tun, ebenso wenig wie mit Vampiren.
    Also würde ich mich bei der Obduktion neben der Identifizierung des Toten auf die übliche Frage in solchen Fällen konzentrieren: Unfall, Suizid oder Mord?
    Bevor ich den Tatort verließ, gab uns der Leiter der Brandermittler vom LKA einen knappen Bericht: Brandherd Nummer eins war das Wohn- und Schlafzimmer von Wilkens’ Einzimmerappartement gewesen. Jedoch hatte die Spurensuche noch einen zweiten Brandherd in der Küche gefunden, die anders als das Schlafzimmer nur zum Teil von den Flammen vernichtet worden war. Aber das Wichtigste: In der Küche lagen die angeschmorten Reste eines Fünf-Liter-Kanisters sowie eine Einwegspritze mit klarer, leicht gelblicher Flüssigkeit – dem Geruch nach zu urteilen: Benzin.
    »Einwegspritze und Benzinkanister«, sagte der Mann vom LKA, »das kann schon mal kein Unfall gewesen sein. Vermute, da ist nachgeholfen worden. Genaueres wissen wir nach unseren Laboruntersuchungen.«
    Damit blieben nur noch Suizid oder Mord übrig.
    Noch in derselben Nacht obduzierten wir die in Hendrik Wilkens’ Wohnung gefundene Brandleiche. Die unklaren Umstände und besonders der zweite Brandherd in der Küche deuteten darauf hin, dass hier womöglich ein Gewaltverbrechen begangen worden war. Und der Tote war nicht identifiziert. Daher hatte die Staatsanwaltschaft nach kurzer Prüfung des Falls die Obduktion angeordnet. Zum einen ging es wie gesagt um die Identität des Toten. Zum anderen mussten wir nach Hinweisen zum Tathergang suchen. Dabei ging es um zwei Fragen:
    1. Frage: Weist das Opfer Spuren auf, die verraten, dass es vor Ausbruch des Brandes getötet worden ist?
    Also hielten wir Ausschau nach Verletzungen am Körper des Toten, die nicht Folge des Feuers sein konnten und somit vor Ausbruch des Feuers entstanden sein mussten: Blutungen der Halsweichteile als Folge eines Angriffes gegen den Hals (Würge- und Drosselmale) oder Abwehrverletzungen an den Streckseiten der Unterarme, die dann entstehen, wenn ein Mensch schützend seine Arme vor Kopf und Gesicht hält, z.B. um Faustschläge abzuwehren.
    Würden wir solche Spuren von Gewaltanwendungfinden, hätten wir es aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Tötungsdelikt, vielleicht mit »Brandmord«, zu tun.
    Brandmord heißt, dass der Mörder im Anschluss an die Tötungshandlung die Leiche seines Opfers anzündet. Dahinter steckt die Hoffnung, dass das Feuer nicht nur das Opfer unkenntlich macht, sondern auch die eigentliche Todesursache verschleiert. Was allerdings kaum jemand weiß, ist, dass der Rechtsmediziner auch bei einer stark

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