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Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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vielleicht schon Jahrhunderte da drinnen.«
    »Dann wäre das Gesicht aber wohl nicht mehr so gut zu erkennen«, erwiderte der Wasserschutzpolizist, der den Toten mit dem Bootshaken aus dem See geborgen und sich anschließend damit gebrüstet hatte, dies sei nun schon die zwölfte Wasserleiche, die er in elf Dienstjahren mit eigenen Händen »den Fluten entrissen« habe.
    »Trotzdem sieht die Kleidung so aus, als wäre die Leiche schon seit vielen Hundert Jahren im Wasser«, sagte einer der Schutzpolizisten.
    »Das Gesicht aber nicht«, warf der junge Mann ein, der mit seiner Freundin den Toten entdeckt hatte.
    »Vielleicht hat sich jemand extra alte, zerlumpte Kleidung angezogen und ist dann ins Wasser gegangen und ertrunken«, schlug ein Beamter der mittlerweile eingetroffenen Kriminaltechnik vor. »Es gibt doch dieseRollenspiele, bei denen sich die Leute historische Klamotten anziehen und dann auf irgendwelchen Burgen herumtoben.«
    Wie auch immer man es drehen und wenden wollte, der Tote wirkte wie einer anderen Zeit entsprungen und erinnerte mehr an eine hergerichtete Schaufensterpuppe als an einen Körper, der längere Zeit im Wasser gelegen hatte. Letzteres ist für Rechtsmediziner allerdings kein großes Rätsel, weil wir schon im Studium mit diesem seltenen Phänomen bekannt gemacht wurden.
    Als wir den Leichnam im Institut entkleideten, kam ein Körper zum Vorschein, der wie aus Kalk oder Gips gefertigt wirkte, fast wie versteinert. Statt aufgeweichter Haut umschloss eine grauweiße Schicht Rumpf und Gliedmaßen wie ein Panzer. Diese Schicht war von fester Konsistenz und hatte Form und Konturen vor allen Umwelteinflüssen geschützt.
    Das Phänomen heißt in der Rechtsmedizin »Leichenwachs«, der wissenschaftlich korrekte Terminus ist »Adipocere« oder »Adipocire«.
    Adipocere ist eine Form natürlicher, biologischer Leichenkonservierung (im Gegensatz zu artifizieller, also bewusst von Menschenhand herbeigeführter Leichenkonservierung wie z. B. bei der Mumifikation im alten Ägypten). Der Begriff leitet sich, wie könnte es anders sein, vom Lateinischen ab: adeps = Fett und cera/cira = Wachs. Ein ebenfalls gebräuchlicher Ausdruck ist »Fettwachs«, der allerdings wie auch die Bezeichnung »Leichenwachs« etwas irreführend ist, da für die chemischen Prozesse bei der Bildung von Adipocere weder Fette noch Wachse, sondern höhere Fettsäuren verantwortlich sind.
    Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zu natürlicher Leichenkonservierung durch Adipocere gehen auf die französischen Wissenschaftler Fourcroy und Thouret zurück, die Ende des 18. Jahrhunderts als Erste dieses Phänomen bei Umbettungen von Toten auf dem Friedhof St. Innocent in Paris beobachtet hatten. Die Verstorbenen, die auf dem überbelegten Pariser Massenfriedhof teilweise in Gruppen bestattet worden waren, waren trotz langer Liegezeit nicht verwest und zum Teil noch vollständig erhalten.
    Wie kommt es zu derartiger Leichenwachsbildung?
    Voraussetzung ist, dass die Leiche sich in sehr feuchter Umgebung befindet und von einer Luftzufuhr ausgeschlossen ist. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, z. B. unter Wasser, in einer Höhle, einer Gruft oder einem feuchten Grab, tritt nach dem Tod aus den Talg- und Schweißdrüsenausführungsgängen des Unterhautfettgewebes verflüssigtes Fett. Dieses verwandelt das Gewebe zunächst in eine schmierige Masse, die dann eine zunehmend wachsähnliche Konsistenz bekommt. Im Laufe der Zeit wird dieses »Wachs« immer fester, bis es schließlich in eine gipsähnliche, mörtelartige Substanz übergeht und die Leiche quasi konserviert. Der gipsartige Panzer macht die Struktur des Gewebes auch nach Bergung und Aufenthalt an der Luft weitgehend unempfindlich gegen bakterielle Zersetzung, so dass Körper und Gesichtszüge von »Gipsleichen«, wie sie aufgrund ihres Aussehens manchmal genannt werden, noch Jahrzehnte nach ihrem Tod erhalten sind.
    Rechtsmedizinisch von Bedeutung sind in Fällen von Fettwachsleichen z.B. sichtbare Verletzungen, Strangmarken, Narben oder Tätowierungen, die man aufgrund der Konservierung der Haut in den meisten Fällen noch recht gut erkennen kann. Auch die DNA kann man bei Fettwachsleichen noch isolieren und analysieren. So konnten Kollegen über die DNA eines Beins, das durch eine Schiffsschraube abgetrennt worden war und danach zwei Jahre lang im Wasser gelegen hatte, dessen »Besitzer« identifizieren.
    Auch Zahnstatus und Knochen sind bei Fettwachsleichen noch gut zu

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