Dem Winde versprochen
Hurensohn hat wieder mal seinen Kopf durchgesetzt. Dafür wirst du büßen, du verdammter Bastard!«, schimpfte Tommy.
»Sie sagen, dass Miss Melody ihn liebt«, versuchte Sabas ihn zu beruhigen.
»Sie liebt ihn nicht!«, fiel ihm Tommy ins Wort. »Eine Maguire würde nie einen dreckigen Engländer lieben. Sie hat ihn wegen seines Geldes geheiratet, um sich an der Seite eines starken Mannes sicher fühlen zu können. Sie hat es wegen Jimmy getan, damit es ihm an nichts fehlt.«
»Ich weiß nicht, Don Tomás«, sagte Sabas scheinheilig, »ich finde, Sie sollten sich mit Ihrem Schwager nicht anlegen. Er ist ein sehr reicher und mächtiger Mann. Er ist mit den wichtigsten Leuten der Stadt befreundet. Stellen Sie sich vor, sogar mit Don Álzaga!«
»Was weißt du von Blackraven und Álzaga? Was haben sie miteinander zu tun?«
»Möchten Sie, dass ich es für Sie herausfinde, Don Tomás?«
»Ja, tu das!«
Die Gäste hatten El Retiro vor mehr als einer Stunde verlassen. Für Blackraven war es eine schöne Feier voller Herzenswärme gewesen, so ganz anders als das pompöse Fest bei seiner Hochzeit mit Victoria Trewartha, bei der der gesamte Hochadel aufmarschiert war, einschließlich des Prince of Wales. Er erinnerte sich noch, wie müde er nach der dreitätigen Feier war, und wie sehr es ihm missfallen hatte, dass seine ihm frisch angetraute Gattin sich dreimal am Tag umzog. Jetzt dachte er nur noch an Isaura und an ihre gemeinsamen Stunden zu zweit.
Er ging mit Sansón den Besitz ab, um sicherzustellen, dass die Wachen ihre Posten bezogen hatten. Seit dem Verschwinden von Le Libertin nahm er es mit der Sicherheit sehr genau. Nach tagelanger Suche tappten sie immer noch im Dunkeln, und jeder
Tag ohne neue Nachrichten machte eine Entscheidung dringlicher, die er jedoch nicht treffen wollte: Louis und Marie außer Landes zu bringen.
Bevor er den Eingang erreicht hatte, sah er schon die Sklaven, die zur Hochzeitsfeier des Schwarzen Engels herbeiströmten. Er hatte Melodys Bitten nachgegeben und ihr erlaubt, eine kleine Feier für die Afrikaner auszurichten, mit Essen und Trinken im Überfluss, und bestimmt würden sie Candombe tanzen, auch wenn das verboten war. Es würden nicht nur Sklaven aus dem Hause Valdez e Inclán und El Retiro teilnehmen, sondern auch aus anderen Häusern.
Er betrat das Gebäude und suchte überall nach Melody. In ihrem Schlafzimmer war eine Sklavin dabei, Kleidungsstücke in eine Ledertasche zu packen. Als sie ihn in der Tür sah, hielt sie inne. Blackraven sah, dass das Brautkleid ausgebreitet auf dem Bett lag.
»Und die Gräfin?«, fragte er und versuchte, seine Missstimmung zu verbergen.
»Im hinteren Hof, Herr Roger, bei den Sklaven.«
»Und was machst du da?«
»Ich packe die Sache für Miss Melody, ich meine für die Gräfin, für die Reise.«
»Hat die Gräfin schon angeordnet, dass ihre restlichen Sachen in mein Zimmer gebracht werden?« Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Dann mach das, und bereite das Zimmer daneben für Jimmy vor.«
Beim hinteren Hof hörte er schon die ersten Trommelschläge. Der Candombe hatte angefangen. In der Küche trug Siloé, unterstützt von Miora und einer Gruppe Sklavinnen, die Speisen auf. Die Sklaven würden ihren Augen nicht trauen, wenn sie Hähnchen, Fleisch und Gemüse aufgetischt bekamen, was sich sonst nur die Weißen zu Gemüte führten. Siloé füllte die Tontöpfe. Man sah ihr die Vorfreude an.
»Heute Abend einmal keine Blutwurst und keine Innereien«, sagte sie, als sie Blackraven in der Küche sah. »Danke, Herr Roger.«
»Bedanke dich bei deinem Schwarzen Engel«, sagte er spöttisch und lächelte. »Wo ist sie überhaupt?«
»Draußen, bei unseren Leuten.«
Der hintere Hof und die Baracken waren förmlich geradezu gestürmt worden, Blackraven kam es vor, als ob sich alle Sklaven von Buenos Aires an diesem Abend hier versammelt hatten, um seine Hochzeit zu feiern. Das stetige Trommeln und das Klingeln der Tschinellen vermischte sich mit den Gesängen in exotischen Sprachen. Der Lichtschein der Fackeln und des Feuers ließ die Haut der Sklaven schimmern. Barfuß und schmutzig wie gewöhnlich, hatten einige jedoch alte Fräcke und abgetragene Kleidungsstücke ihrer Herren angezogen, manche trugen sogar weiße Handschuhe und Zylinder. Ein feiner Beobachter hätte bei dem Aufzug aber auch eine gewisse Ironie erkennen können, eine kleine, verborgene Respektlosigkeit, die ihren Groll gegenüber denen zum Ausdruck brachte, die
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