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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Blackraven.
    »Aber, meine Herren, ich bin Weltbürger. Durch meine Adern fließt italienisches, spanisches, österreichisches und englisches Blut. Zu welcher Nation gehöre ich? Man könnte sagen, wegen des englischen Namens bin ich Engländer. Und ich liebe England, weil es als Land so ist, wie es ist, und nicht, weil es die Heimat meines Vaters ist.«
    »Eure Exzellenz sehen gar nicht aus wie ein Engländer«, wagte sich Melchora vor.
    »Sie sind in Frankreich geboren, nicht wahr, Exzellenz?«, fragte Altolaguirre, um seine Nichte zum Schweigen zu bringen.
    »So ist es. Dort habe ich die ersten zwölf Jahre meines Lebens verbracht.«
    »Ach, Frankreich … «, seufzte Altolaguirre. »Seit mehr als fünfzehn Jahren versetzt diese Nation die Welt mit ihren Ideen in Aufruhr.«
    »Die zivilisierte Welt gegen Frankreich?«, fragte Martín de Thompson. »Oder sollte ich besser sagen, das aufgeklärte Frankreich gegen die verdorbene Welt der Aristokratie?«
    »Weder das eine noch das andere«, erklärte Blackraven. »Wenn es Krieg gibt, meine Herren, sind nicht Ideale die Triebfeder, sondern
wirtschaftliche Interessen. Es gibt ein altes französisches Sprichwort, das lautet:
L’argent c'est le nerf de la guerre
. Das Geld, meine Herren, ist die Triebfeder des Krieges. Und es ist nötig, um die Macht zu erhalten. Die wahren Fürsprecher des Krieges sind die Mächtigen, die diese Macht konsolidieren wollen. Politiker und Militärs werden zu Marionetten der Macht.«
    »Aber Exzellenz«, sagte Nicolás Rodríguez Peña erstaunt, »ist denn Napoleon Bonaparte nicht Militär und Politiker und gleichzeitig der mächtigste Mann Europas?«
    »Napoleon ist der ehrgeizigste Mann Europas, nicht der mächtigste. Ich glaube, nach Trafalgar ist klar, dass er nicht so unbesiegbar ist, wie er die Welt glauben machen will. Er
will
mächtig sein, aber es gelingt ihm noch nicht. Es ist ein vergeblicher Kampf. Die Mächtigen Englands werden das nie zulassen.«
    Und so manch einer der Tischgäste fragte sich, ob Roger Blackraven, der künftige Herzog von Guermeaux, nicht zu dieser auserwählten Gruppe der »Mächtigen« gehörte. Sein Reichtum und sein Einfluss waren legendär.
    »Zu uns kam die Nachricht, die französisch-spanische Armada habe elf englische Schiffe während der Schlacht von Trafalgar versenkt«, sagte Rodríguez Peña.
    »Meine Herren«, erwiderte Blackraven, »ich kann Ihnen versichern, denn ich war selbst dabei, dass nicht ein einziges englisches Schiff verloren ging, während zwanzig unter dem Kommando von Villeneuve heute auf dem Meeresgrund liegen.«
    Blackraven erzählte in allen Einzelheiten, wie die meisterliche Strategie von Admiral Nelson, obwohl er über eine kleinere Armada verfügte, Napoleons Traum vom Einmarsch in England zunichte machte.
    »Villeneuve«, erklärte er, »ließ von seinen Schiffen nur eine einzige Angriffslinie bilden, während Nelson seine zu zwei Flotten gruppierte, die dann Villeneuves Linie durchbrachen und zerstörten.«
    »Bonaparte«, klagte Vieytes, »mag zwar davon absehen, England anzugreifen, aber er verfolgt immer noch diesen Traum von Größe, während wir zusehends verarmen, wie mein Freund Manuel vorhin sagte.«
    Eine heiße Diskussion entbrannte, und Blackraven studierte Altolaguirres Gäste. Es war nicht schwer, herauszufinden, dass er es hier mit den führenden Vertretern der Unabhängigkeitspartei zu tun hatte und dass Manuel Belgrano trotz seiner hohen Stimme und seines sensiblen Charakters ein Mann war, der die Kreolen – die in der neuen Welt geborenen Nachfahren der Spanier – zum Sieg führen konnte. Nicht weil er ein begnadeter Stratege war, das ging ihm vollkommen ab, sondern weil seine Ideale und Absichten klar umrissen waren. Die Sicherheit und Redegewandtheit, mit denen er sie vortrug, waren beneidenswert. Selten war Blackraven so ein gebildeter Mann begegnet. Er wollte die Grundschule auch für die Landarbeiter öffnen und ihnen moderne Ackerbautechniken beibringen. Er verurteilte die spanische Regierung, weil sie Land brachliegen ließ, und schlug vor, diese Ländereien zu veräußern oder zu verpachten. Das wollte er von seinem Posten im Konsulat aus veranlassen.
    Der Anwalt Mariano Moreno war aus anderem Holz geschnitzt als das Verschwörergrüppchen, das sah Blackraven sofort. Der Jurist hatte Chuquisaca verlassen müssen, weil er bedroht wurde, seit er sich öffentlich gegen die spanischen Behörden gestellt hatte. Er hatte insbesondere die sogenannte

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