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Demolition

Demolition

Titel: Demolition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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mit eisenharten Klauen und beugte sich mit heißer Eindringlichkeit über die Ladentheke. »Nein, Ben«, sagte er und benutzte damit zum ersten Mal Reichs Vornamen. »Das ist nicht der Preis. Sie wissen's genau. Trotz dieser verrückten Dudelei in Ihrem Kopf weiß ich, daß Ihnen das klar ist.«
    »Also schön, Jerry«, sagte Reich mit beherrschter Stimme, ohne seine Faust um den Griff der Waffe auch nur einmal bloß im geringsten zu lockern. »Dann nennen Sie den Preis. Wie hoch soll er sein?«
    »Ich will rehabilitiert werden«, entgegnete der ESPer. »Ich möchte, daß man mich wieder in den Verband aufnimmt. Ich will wieder leben. Das ist der Preis.«
    »Was kann denn ich in dieser Beziehung schon tun? Ich bin kein ESPer. Ich gehöre dem Verband nicht an.«
    »Sie sind durchaus nicht hilflos, Ben. Sie kennen Mittel und Wege. Sie können im Verband für mich ein gutes Wort einlegen. Sie können für meine Rehabilitation sorgen.«
    »Unmöglich.«
    »Sie können bestechen, erpressen, Empfehlungen geben... Leute kaufen, ihnen Gefälligkeiten erweisen, sie überzeugen. Sie sind dazu imstande, Ben.
    Sie können das schaffen. Helfen Sie mir, Ben. Ich habe Ihnen auch einmal geholfen.«
    »Und daran wäre ich damals fast finanziell ausgeblutet.«
    »Und ich?« schrie der ESPer. »Und wie is t es mir ergangen? Meine Existenz habe ich verloren.«
    »Aber durch diesen Schaden sind Sie klüger geworden, und das ist ein Gewinn, der Ihren Verlust ausgleicht.«
    »Um Himmels willen, Ben! Helfen Sie mir. Helfen Sie mir oder bringen Sie mich um. Ich bin sozusagen ohnehin tot. Ich habe bis jetzt bloß nie genug Mut aufbieten können, um den Freitod zu vollziehen.«
    Für einen Moment herrschte Schweigen. »Ich glaube, Jerry«, sagte dann Reich mit schroffer Stimme, »am besten für Sie wäre tatsächlich Selbstmord.« Der ESPer prallte zurück wie vor einem glutheißen Eisen. Die Augen, die Reich aus seinem verfallenen Gesicht anstarrten, waren plötzlich glasig. »Und nun nennen Sie mir den Preis«, fügte Reich hinzu.
    Unter Aufwendung äußersten Mutwillens spie Church auf das Geld und maß Reich ein letztes Mal mit einem Blick voller Haß. »Der Spaß soll Sie nichts kosten«, sagte er, wandte sich um und schlurfte davon in die düsteren Schatten seines Kellers.

4
     
     
    Bevor der Pennsylvania Station in New York aus Gründen, die im unbegreiflichen Wirrwarr am Ende des 20. Jahrhunderts verschollen waren, die Zerstörung widerfuhr, war sie, obwohl etliche Millionen Reisende, die dort hindurchkamen, niemals davon hörten, ein meilensteinartiges Bindeglied im Strom der Zeit gewesen. Das Innere des riesenhaften Bahnhofsgebäudes war als Nachbildung der Thermen des Caracalla im alten Rom gestaltet worden. Und gleichartig war das Haus von Madame Maria Beaumont gebaut, unter ihren tausend allernächsten Gegnern -das hieß, jenen, die ihr auch intimer bekannt waren -dauerhaft im Gespräch als die »Goldene Verbandsmatratze«.
    Als Reich, an seiner Seite Dr. Tate und in der Tasche Mord, aus der Osttangente hinunter zu dem weitläufigen Gebäude glitt, vermittelten ihm seine Sinne sonderbar fiebrig bruchstückhafte Eindrücke. Den Anblick der Gäste drunten... das Glitzern von Uniformen, Abendkleidern, phosphoreszierender Haut, von Kegeln pastellfarbener Lichter, die an Pfeilerstreben baumelten... »Spannung! rief der Tensor...« Der Lärm von Stimmen, Musik, Ansagen und dem Widerhall all dessen... »Spannung, Spiel und Spökenkieken...« Der herrliche Querschnitt aus Haut und Parfüm, Speisen, Wein, vergoldetem Prunk... »Spannung, Spiel und Spökenkieken...« Die vergoldeten Fallen des Todes... von etwas, das in Gottes Namen nun seit siebzig Jahren ausgeblieben war... der vergessenen Kunst... vergessen wie Aderlaß, Schädelbohren und Alchemie... Ich bringe den Tod zurück. Nicht das überstürzte, irrsinnige Töten der Psychotiker, der Krawallbrüder..., sondern den normalen, vorsätzlichen, geplanten, kaltblütigen...
    »Um Himmels willen!« fuhr Tate ihn unterdrückt an. »Geben Sie acht, Mann. Sie lassen ja den Mörder durchscheinen.«
    »Acht, Mensch, sieben, Mann...«
    »So ist's besser. Da kommt einer der ESPer-Sekretäre. Er hat die Aufgabe, die Gäste vor der Belästigung durch Party-Schmarotzer zu bewahren. Singen Sie weiter.«
    »Dr. Tate! Mr. Reich!« Ein hochgewachsener, gertenschlanker junger Mann mit Messerhaarschnitt in Goldblond, violetter Bluse und silberner Kniebundhose kam ihnen entgegen. »Ich bin sprachlos!

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