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Demolition

Demolition

Titel: Demolition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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im Lauf ihres Ringens verspürte Reich Furcht vor Powell... leibhaftige Furcht. Wieder hob er den Neuronen-Scrambler, und diesmal zielte er auf Powells Kopf, während der ESPer sich dem Sessel näherte.
    »Guten Abend, Miss D'Courtney«, sagte Powell.
    »Adieu, Mr. Powell«, murmelte Reich und versuchte, die Waffe in seiner auf einmal zittrigen Hand zielsicher auf Powells Schädel zu richten.
    »Sind Sie wohlbehalten, Miß D'Courtney?« fragte Powell. Als das Mädchen keine Antwort gab, beugte er sich vor und blickte ihm eindringlich ins gleichmütige, ausdruckslose Gesicht. Er berührte das Mädchen am Arm. »Sind Sie wohlauf, Miß D'Courtney?« erkundigte er sich nochmals. »Miß D'Courtney! Benötigen Sie Hilfe?«
    Beim Wort »Hilfe« setzte sich das Mädchen ruckartig im Sessel zu einer Haltung auf, als lausche es; dann streckte es die Beine und sprang aus dem Sessel. Es lief geradewegs an Powell vorbei, blieb unvermittelt stehen und griff ins Leere, wie nach einem Türknopf. Es drehte den imaginären Türknopf, riß eine imaginäre Tür auf und stürzte vorwärts; ihr blondes Haar wehte, die Augen waren vor Schrecken geweitet... ein Wetterleuchten wilder Schönheit. »Vater!« schrie das Mädchen. »Um Gottes willen! Vater!« Plötzlich verharrte es, wich zurück, als weiche es vor irgend etwas oder irgend jemand aus, lief dann nach links durch einen Halbkreis, schrie dabei, die Augen starr. »Nein!« schrie es. »Nicht! Um Himmels willen! Vater!« Es sprang erneut vor, rang mit unsichtbaren Armen, die es gepackt zu haben schienen, und schrie, noch immer mit starrem Blick. Dann verkrampfte es seine Haltung und preßte die Hände auf die Ohren, als habe es ein unerträgliches Geräusch vernommen. Es sank vornüber auf die Knie und kroch über den Boden, stöhnte wie unter furchtbarem körperlichen Schmerz. Es verharrte, griff nach irgend etwas am Boden und blieb dann stumm kauern, das Gesicht nun wieder gleichmütig, puppenhaft ausdruckslos.
    Mit einer Gewißheit, die ihm den Magen umdrehen wollte, erkannte Reich, was das Mädchen soeben getan hatte. Es hatte den Tod seines Vaters von neuem erlebt. Ihn vor Powell wiedererlebt. Und wenn er eine Introvision vorgenommen hatte... Powell ging zu dem Mädchen und hob es vom Fußboden. Es richtete sich so anmutig auf wie eine Tänzerin, so gelassen wie eine Schlafwandlerin. Der ESPer legte einen Arm um Barbara D'Courtney und geleitete sie zur Tür. Reich ließ die Mündung des Scramblers unablässig mitwandern, wartete auf den günstigsten Schußwinkel. Er war unsichtbar. Seine ahnungslosen Todfeinde waren unter ihm, leichte Ziele für die tödliche Strahlung. Ein Schuß, und er war gerettet. Powell öffnete die Tür; dann riß er das Mädchen plötzlich herum, drückte es an sich und blickte aufwärts. Reichs Atem stockte. »Nur zu«, rief Powell. »Hier sind wir. Ein leichtes Ziel. Ein Schuß dürfte für uns beide genügen. Vorwärts!« Zorn verdüsterte sein hageres Gesicht. Die dichten, schwarzen Brauen über seinen dunklen Augen waren gerunzelt. Eine halbe Minute lang starrte er nach oben zum unsichtbaren Reich, wartete voller Unerschrockenheit und Haß. Schließlich senkte Reich seinen Blick und wandte sein Gesicht von dem Mann ab, der ihn nicht sehen konnte.
    Dann führte Powell das gefügige Mädchen zur Tür hinaus und schloß sie leise; und Reich wußte, er hatte sich die Rettung durch die Finger rinnen lassen. Er befand sich auf halbem Wege zur Demolition.
     

10
     
     
    Man stelle sich eine Kamera mit einer so stark astigmatisch verzerrten Linse vor, daß sie nur immer wieder die gleiche Szene fotografieren kann nämlich jene, deren Erschütterungskraft ihre Verzerrung verursachte. Man stelle sich ein Stück Speicherkristall vor, traumatisch so geschädigt, daß es bloß immer wieder das gleiche Fragment Musik wiedergeben kann, den einen schrecklichen Satz, den es nicht zu vergessen vermag.
    »Sie befindet sich in einem Zustand hysterischer Wachruffixierung«, erklärte Dr. Jeems von der Kingston-Klinik Powell und Mary Noyes im Wohnzimmer von Powells Haus. »Sie reagiert ausschließlich auf das Schlüsselwort »Hilfe« und wiedererlebt dann jedesmal irgend ein schreckliches Erlebnis...«
    »Den Tod ihres Vaters«, sagte Powell.
    »So, aha? Verständlich. Davon abgesehen... Katatonie.«
    »Aussichtslos?« fragte Mary Noyes.
    Der junge Dr. Jeems wirkte überrascht und ein wenig entrüstet. Trotz der Tatsache, daß er kein ESPer war, galt er zu Recht als

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