Demolition
einer der fähigsten Männer der Kingston-Klinik, und er widmete sich seiner Tätigkeit mit fanatischer Leidenschaft. »Heutzutage? Nichts ist aussichtslos außer dem physischen Tod, Miß Noyes, und im Kingston rücken wir nun auch diesem Quatsch ernsthaft zu Leibe. Untersuchen wir den Tod unterm symptomatischen Gesichtspunkt, so können wir bereits von uns behaupten...«
»Darüber diskutieren wir lieber später einmal«, unterbrach ihn Powell. »Heute fehlt mir die Zeit für eine Bereicherung meines Wissens. Kann ich mit dem Mädchen arbeiten?«
»In welcher Hinsicht?«
»Hirn -Introvision.«
Jeems überlegte. »Ich wüßte keinen Grund, warum nicht. Ich habe gegen die Katatonie die Déjà-Èprouvé-Reihe verordnet. Das widerspricht einer Introvision nicht.«
»Die Déjà-Èprouvé-Reihe?« meinte Mary verwundert.
»Eine großartige neue Behandlungsmethode«, sagte Jeems aufgeregt. »Entwickelt von Gart... einem unserer ESPer-Mediziner. Wenn ein Patient sich in die Katatonie zurückzieht, ist das immer eine Flucht. Ein Ausreißen vor der Realität. Der bewußte Verstand kann den Konflikt zwischen der Umwelt und dem eigenen Unbewußten nicht ertragen. Er wünscht, er wäre nie auf die Welt gekommen. Er versucht ins Fötaldasein zurückzukehren. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Bis jetzt, ja.« Mary nickte.
»Gut. Déjà Èprouvé ist ein alter Terminus, der der Psychiatrie des neunzehnten Jahrhunderts entstammt. Wörtlich bedeutet er: »Schon erlebt« oder »Schon durchgemacht. Viele Patienten wünschen sich etwas so stark, daß ihr Wunsch ihnen schließlich die Vorstellung einflößt, die Handlung oder Erfahrung, die sie in Wirklichkeit nie erlebt haben, sei bereits geschehen. Begreifen Sie?«
»Einen Moment«, sagte Mary nachdenklich. »Sie meinen...«
»Nehmen wir ein Beispiel«, unterbrach Jeems in lebhafter Begeisterung. »Gehen wir einmal davon aus, Sie verspürten den heißen Wunsch... na, sagen wir, Mr. Powells Ehefrau zu sein und mit ihm eine Familie zu gründen. Klar?«
Mary errötete. »Klar«, bestätigte sie mit gepreßter Stimme. Im ersten Moment verlangte es Powell danach, diesen gutwilligen jungen Normalen in Grund und Boden zu stampfen.
»Nun«, erläuterte Jeems in unschuldiger Ahnungslosigkeit weiter, »nehmen wir ferner an, Sie gerieten aus dem psychischen Gleichgewicht. Dann könnten Sie zu der unerschütterlichen Überzeugung kommen, Sie seien mit Mr. Powell verheiratet und hätten drei Kinder. Das wäre ein Fall von Déjà Èprouvé. Und nun gehen wir hin und synthetisieren für einen Patienten ein artifizielles Déjà Èprouvé . Wir verwirklichen seinen katatonischen Fluchtwunsch. Wir machen das Ereignis wahr, das er sich wünscht. Wir lösen seinen Verstand von den unteren Schichten und senden ihn zurück in den Mutterleib, ermöglichen ihm das Erlebnis, wieder zu einem ganz neuen Leben geboren zu werden. Verstehen Sie?«
»Ja, verstehe.« Mary versuchte zu lächeln, während ihre Selbstbeherrschung wiederkehrte.
»An seiner geistigen Oberfläche - auf der bewußten Ebene -durchläuft der Patient seine gesamte persönliche Entwicklung von vorn, aber in wesentlich kürzerem Zeitraum. Säuglingsalter, Kindheit, Jugend, schließlich wieder Reife.«
»Sie meinen, Barbara D'Courtney wird wieder wie ein Kleinkind sein... wieder sprechen und laufen lernen müssen?«
»Richtig. Ganz richtig. Völlig richtig. Nimmt ungefähr drei Wochen in Anspruch. Sobald ihr Bewußtsein die Gegenwart wieder eingeholt hat, wird sie dazu imstande sein, die Realität zu ertragen, vor der sie die Flucht ergriffen hat. Sie wird sozusagen hineinwachsen. Wie gesagt, dieser Vorgang betrifft nur die Bewußtseinsebene. Darunter bleibt ihr Geist unangetastet. Sie können ohne weiteres eine Introvision vornehmen. Das einzige Problem ist... unterhalb der Bewußtseinsschicht dürfte sie stark verängstigt sein. Verstört. Wahrscheinlich werden Sie dabei Schwierigkeiten haben, das zu erfahren, was Sie wissen wollen. Aber das ist ja eine Eigentümlichkeit Ihres Berufs. Sie werden schon wissen, was Sie zu tun haben.« Unvermittelt erhob sich Jeems. »Ich muß zurück in die Klinik.« Er schlenderte zur Haustür. »Hat mich gefreut, daß ich Ihnen behilflich sein konnte. Es ist mir immer ein Vergnügen, mit ESPern zusammenzuarbeiten. Ich kann diese Feindseligkeit nicht begreifen, die man den ESPern neuerdings entgegenbringt...« Er ging.
»Mmm. Das war ein äußerst bedeutsames Abschiedswort.«
»Was hat er damit
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