Demon Lover
steckst du?», fragte er in einem Ton, als würde er jeden Moment in die Luft gehen. «Ich warte schon eine geschlagene Stunde, dass du nach Hause kommst.»
Sie wurde ärgerlich, verzichtete aber auf eine scharfe Erwiderung. Mit Honig fing man mehr Schmeißfliegen. «Ich bin hinterher noch shoppen gegangen», erklärte sie leichthin. «Und ich hab Beatrice Evans getroffen, meine Zimmergenossin vom College. Erinnerst du dich noch an sie? Im ersten Studienjahr haben wir uns ein Zimmer geteilt.»
«Beatrice? Ja, klar. Ich erinnere mich. Hatte einen hübschen Arsch.»
Typisch Gerald. Durch und durch ein Casanova. Natürlich erinnerte er sich an Beatrice. Schließlich hatte er das arme Mädchen bei jeder Gelegenheit angemacht. Vielleicht war er mit ein Grund dafür gewesen, dass sie ihre Besuche eingestellt hatte.
Kendra ging auf die anzügliche Bemerkung nicht ein. Irgendwie musste sie es ihm heimzahlen. Später irgendwann. Sie saugte am Strohhalm, genoss den Kaffee mit Schokoladensirup – eine doppelte Dosis. In Dr. Somervilles Sprechzimmer hatte sie einen tollen Orgasmus gehabt, und jetzt noch die Schokolade.
Jeder Tag sollte sein wie dieser.
Remi wurde seiner Aufgabe als Offenbarungsdämon jedenfalls voll gerecht.
«Das gehört mit dazu, die Dinge wieder auf die Reihe zu bekommen», sagte sie zu Gerald. «Heute Morgen hast du dich ganz ähnlich geäußert.»
«Stimmt», räumte er ein. «Ganz richtig. Ich finde es toll, dass du mal shoppen gehst. Hast du alles bekommen, was du wolltest?»
«Schuhe», log Kendra. «Ich hab mir neue Schuhe gekauft. Rote. Mit hohen Absätzen.»
«Dann zieh deine hübschen roten Schuhe an und komm nach Hause. Du musst ein paar Schriftstücke unterzeichnen.»
Ihr Misstrauen erwachte. Wie immer drohten die tief in ihrem Inneren verborgenen dunklen Schatten sie in den Abgrund der Verzweiflung zurückzuschleudern. Manchmal kam Gerald ihr vor wie ein Schattengespenst, das im Dunkeln lauerte wie ein allmächtiger Puppenspieler, der nur darauf wartete, sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Dabei hatte sie keine Ahnung, weshalb sie so von ihm dachte.
Sie tat es einfach.
Vom Bauch ausgehend, breitete sich Kälte in ihr aus. «Was für Schriftstücke?»
«Versicherungsunterlagen», erwiderte er kurz angebunden. «Ich habe die Policen für das Haus und die Wertsachen anpassen lassen. Reine Routine, aber ich brauche deine Unterschrift.»
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16
Männer mit Videokameras gingen durchs Haus und nahmen alle Wertgegenstände auf.
Kendra, die nicht gefilmt werden wollte, huschte an den zudringlichen Objektiven vorbei. «Wo ist Gerald?»
Einer der Männer senkte die Kamera. «Ich glaube, er und Mr. Montgomery sind in der Bibliothek.»
Kendra bekam ein mulmiges Gefühl. Ihr wurde ganz kalt. Eine unerklärliche Bedrücktheit legte sich ihr ums Herz. Seit ihrer ersten Begegnung mit Geralds Neuerwerbung war sie nicht mehr in der Bibliothek gewesen.
Wie aufs Stichwort streckte ihr Stiefbruder den Kopf aus der Tür. «Ah, ich meinte, dich gehört zu haben.» Er winkte auffordernd mit der Hand. «Komm doch mal auf einen Sprung rein.»
Sie atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen. «Bin schon unterwegs.» Als sie sich der Bibliothek näherte, krampften sich ihr die Eingeweide zusammen. Ihre Absätze klackerten auf dem weißen Marmorboden. Sie hatte sich vorgenommen gehabt, den Raum nie wieder zu betreten. Aber darauf kam es eh nicht an – Remi war anscheinend keinerlei Beschränkungen unterworfen. Der Dämon konnte kommen und gehen, wie es ihm beliebte.
Als sie die Bibliothek betrat, hatte Kendra einen Panikanfall. Ihre inneren Alarmglocken begannen zu schrillen. Eine unheimliche Stimme aus der Tiefe ihres Unbewussten schrie, sie solle weglaufen und sich nicht umschauen. Aber weglaufen – wovor?
Sie fröstelte und rieb sich unwillkürlich die Gänsehaut auf ihren Armen. In der Bibliothek war es eiskalt, von irgendwoher wehte ein scharfer Luftzug. Zu ihrer Rechten meinte sie aus dem Augenwinkel eine verstohlene Bewegung auszumachen. Sie versteifte sich und wandte den Kopf, konnte aber nichts erkennen, was ihr wachsendes Unbehagen hätte erklären können.
Hatte sie sich nur etwas eingebildet?
Nein.
Kendra war sicher, dass noch etwas anderes im Raum war. Etwas Bedrohliches, das sie aber nicht näher bestimmen konnte. Remi war es nicht, sondern eine andere Macht. Ein Ungeheuer, das ans Licht zu zerren ihr nicht gelingen wollte.
Doch da waren nur
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