Demon Lover
Unheils. Lautlose, schleichende Dunkelheit sank herab, als der Tag der Nacht wich.
Als das letzte Tageslicht verblasste, meinte Kendra, eine melodische Männerstimme zu vernehmen. Sie kam aus dem Nebenzimmer, leise und einschmeichelnd. Sie lauschte einen Moment, konnte aber nichts verstehen.
Das Geflüster ging weiter, gedämpft durch die Tür, die ihr Schlafzimmer vom Wohnzimmer trennte.
Kendra näherte sich der Tür. Unsicher verharrte sie davor und legte das Ohr daran. Die angenehme Stimme umfing sie, hüllte sie ein.
Lockte sie.
Kendra senkte den Blick, als sich ihre Finger um den Türknauf aus Kristallglas schlossen. Er fühlte sich unnatürlich kalt an, wie Eis. Verdutzt riss sie die Hand zurück. Sie erwog, sich zurückzuziehen, und hätte es auch getan, wenn sie nicht gewusst hätte, was sich hinter der Tür verbarg. Das Bild ihres überirdischen Peinigers trat ihr vor Augen.
Remi.
Sie wich zurück, schloss die Augen und kämpfte gegen ihre aufsteigende Panik an.
Ich muss wissen, was er hier macht, weshalb er mich ständig heimsucht.
Sie atmete mehrmals tief durch, streckte erneut die Hand aus und legte sie auf den Türknauf. Er ließ sich mühelos drehen. Sie drückte die Tür einen Spalt weit auf und hoffte inständig, dass sie nicht knarrte. Sie öffnete die Tür noch weiter, bis sie den Raum überblicken konnte.
Unwillkürlich trat sie ins Zimmer. Wie von Geisterhand bewegt, schloss sich die Tür hinter ihr. Fiel ins Schloss.
Sie blickte sich um. An zwei Wänden standen Bücherregale. Ihre eigene Sammlung war nicht annähernd so umfangreich wie Geralds, aber gleichwohl beeindruckend. Unter dem Deckengewölbe luden mehrere Sofas mit Häkeldecken sowie bequeme Sessel mit hoher Lehne und Lederpolster zum Verweilen ein. Auf den Beistelltischen lagen neben Untersetzern für Drinks Zeitungen und Magazine aus. Neben einem Fenster, das nach hinten hinausging und Ausblick auf die prachtvollen Sonnenuntergänge bot, die abends die Rasenflächen vergoldeten, stand eine Staffelei mit Zeichenblock und Malkreide.
Sie hatte das verstörende Gefühl, nicht allein zu sein. Es war, als spiele jemand mit ihr. Sie meinte, einen Mann seufzen zu hören, nahm im Nacken eine Liebkosung wahr.
Kendra kniff die Augen zu und atmete tief ein. Sie nahm eindeutig Remis Geruch wahr.
Sie drehte sich um, darauf gefasst, dass er hinter ihr stand. Doch da war niemand. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu einem der Bilder an der Wand, einer wundervollen, sonnenüberfluteten tropischen Landschaft.
Sogleich fiel ihr die Veränderung ins Auge. Wo vorher Lasuren gewesen waren, prangten jetzt kräftige, ineinander verlaufende Farbschichten von einer Leuchtkraft, die aus der Leinwand zu kommen schien. Noch seltsamer war, dass die anderen Gemälde allmählich verblassten – als würde ihnen von diesem einen Bild alle Farbe ausgesaugt.
Noch unglaublicher war, dass Remi in der gemalten Landschaft stand. In seinem bunten Reich winkte er sie näher.
Damit hatte alle Logik ein Ende.
«Kendra», sagte er. «Komm zu mir.» Seine Stimme klang ein bisschen gedämpft, aber sie verstand ihn trotzdem.
Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Seine Einladung kam ihr sinnlos vor. Als wäre sie in einem seltsamen Traum gefangen, hob sie die Hand und berührte die Leinwand. Spannung baute sich in ihr auf. «Warum tust du mir das an?»
Remi lachte. «Weil ich es kann.»
«Du machst mich noch ganz irre», keuchte sie.
Sein Grinsen wurde breiter. «Wenn dich Verführung irre macht, dann hast du wohl recht. Ich lade dich mit schmeichelnden Worten und einer wunderschönen Landschaft ein, Sex mit mir zu haben.»
Das war vollkommen verrückt. Gleich nach Betreten ihres Zimmers musste sie unbemerkt eingeschlafen sein.
Aber sie hatte nicht das Gefühl zu schlafen. Vielmehr war sie hellwach und bekam genau mit, was um sie herum vorging.
«Ich begreife das alles nicht», sagte sie langsam. «Diese wunderschöne Landschaft – ist ein Gemälde. Oder weißt du das nicht?»
«Doch, das weiß ich.» Remi breitete einladend die Arme aus. «Ein Dämon kennt keine Beschränkungen.»
Kendra ließ die Hand sinken und schüttelte den Kopf. Ein Mensch war Beschränkungen unterworfen. «Hör auf, mir den Kopf wirr zu machen, Remi. Du treibst mich noch in den Wahnsinn.»
Das vergnügte Gelächter des Dämons lenkte ihren Blick wieder auf die Landschaft. «Vielleicht tue ich genau das Gegenteil», entgegnete er mit einem weiteren teuflischen Auflachen.
Kendra
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