Demonica - Ione, L: Demonica
wandte den Blick ab, ehe diese Steinsplitter sich wieder in sie hineinbohrten. »Bleib bei ihm. Normalerweise muss er es allein durchstehen.«
Dann knallte die Wohnungstür hinter sich zu, und sie blieb allein in der Küche zurück, mit wild pochendem Herzen. Gefühle, die sie seit Jahren nicht mehr verspürt hatte, ließen sie auf die Knie sinken.
Die Brüder liebten einander wie verrückt; etwas, das sie nicht geglaubt hätte, wenn sie es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Sie beschützten einander, heilten einander, und offensichtlich würden sie sogar füreinander sterben. Sie bezweifelte, dass irgendjemand für sie gestorben wäre, abgesehen von ihrer Mutter vielleicht, und die war den größten Teil von Taylas Leben so zugedröhnt gewesen, dass sie ihr Leben höchstens für den nächsten Schuss geopfert hätte.
Wie es wohl wäre, eine solche Familie zu haben?, fragte sie sich, während sie ein Glas mit Orangensaft füllte, den sie im Kühlschrank gefunden hatte.
Und dann hörte sie auf, sich so etwas zu fragen, weil dieser Weg sie höchstens zur Kreuzung Selbstmitleid/Jämmerliche Idiotin bringen würde.
Sie schlüpfte in das Zimmer, in dem sich Eidolon befand. Er schien friedlich zu schlafen, obwohl er immer noch auf Händen und Knien stand – die einzigen Körperteile, die nicht zerschunden waren. Einige seiner Wunden heilten aber bereits.
Ja, seine Wunden schlossen sich, aber ihre waren eben erst aufgesprungen.
Das Geräusch eines klingelnden Telefons weckte Eidolon. Ehe er richtig wach war, hörte das Klingeln auf, und Gems Stimme war über den Anrufbeantworter zu hören. Sie klang, als ob sie eine wilde Party hinter sich hätte und den Rausch auf dem Rasen vor dem Haus hätte ausschlafen müssen.
»E, ich bin’s, Gem. Ich glaube, Tayla ist irgendetwas zugestoßen. Ich weiß nicht, was, aber ich habe diese Nacht in ihrem verdammten Schrank verbracht. Ich bin jetzt im UG . Ich muss unbedingt mit dir reden. Es ist wichtig. Kannst du vorbeikommen? Wenn nicht, komme ich zu dir.«
Warum zur Hölle hatte sie die Nacht in Taylas Schrank verbracht?
Sie legte auf, und Eidolon stöhnte. Er hatte einen staubtrockenen Mund und steife Muskeln, nachdem er die letzten zwölf Stunden auf Händen und Knien verbracht hatte. Er ließ den Kopf ein paarmal kreisen, um die Nackenmuskeln zu lockern, und als er den Blick senkte, entdeckte er Tayla, die sich neben ihm auf dem Boden zusammengerollt hatte. Irgendwann im Laufe der Nacht hatte sie sich ein Kissen von seinem Bett geholt, und nun lag ihr Haar wie die Mähne eines Löwen fächerartig ausgebreitet da und bettelte darum, von ihm berührt zu werden.
Er hatte sie noch nie im Schlaf gesehen, jedenfalls nicht in diesem friedlichen Schlaf, der ohne Krankenhausbett, Schmerz- oder Beruhigungsmittel auskam. Der Arzt in ihm beobachtete das regelmäßige Auf und Ab ihres Brustkorbs; der Mann in ihm regte sich beim Anblick ihrer Brüste, die sich gegen sein T-Shirt drückten, das sie angezogen hatte.
An ihr sah es viel besser aus, als es je an ihm ausgesehen hatte.
Er atmete ihren Duft ein, so brutal feminin, vermischt mit einer herben Note von Sorge und einem stechenden Anteil Angst. Vage erinnerte er sich daran, dass Shade da gewesen war, sie berührt hatte … hatte sein Bruder sie bedroht oder verletzt?
Er musterte ihren Körper und hob ihren Kopf kurz vom Kissen an, um nach Verletzungen zu suchen. Süße Erleichterung drang mit einem Seufzer aus seinen Lungen.
Und dann fragte er sich, wieso er sich überhaupt Sorgen gemacht hatte. Tayla konnte auf sich selbst aufpassen; eine Tatsache, die er mit eigenen Augen gesehen hatte. Vielleicht war es ja sein Bruder, der die Verletzungen erlitten hatte.
Scheiße.
Er sprang auf die Beine und zuckte sofort zusammen, als seine schmerzenden Gelenke knirschten. Getrocknetes Blut platzte auf seiner Haut auf, doch darunter war alles verheilt. Er rief kurz Shade an, um sich zu vergewissern, dass sein Bruder unverletzt war, und dann duschte er. Immer noch nackt kehrte er zum Portalzimmer zurück, um Tayla auf die Arme zu nehmen und sie in sein Bett zu bringen.
Kaum hatte er sie zugedeckt, als sie schon die Augen öffnete.
»Hellboy«, sagte sie mit heiserer Morgenstimme, die Schockwellen in seine Lendengegend aussandte. »Bist du okay? Ich meine … «
Sie hatte gemerkt, dass er nackt war, und die Art, wie sie seine Erektion anstarrte, machte ihn, zum allerersten Mal, ein wenig verlegen. »Ja, mir geht’s gut. Meine
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