Demonica - Ione, L: Demonica
Shade riss die Augen auf, und unter seinem dunklen, stechenden Blick zog sie sie rasch wieder weg, aus Angst, sie könne Eidolon noch mehr wehtun, statt ihm zu helfen.
»Nein«, sagte er und packte ihr Handgelenk. Ein leises Knurren drang tief aus Eidolons Brust, und Shades Augen wurden schmal. »Also, das ist jetzt aber interessant«, murmelte er und legte ihre Hand ganz behutsam wieder auf Eidolons. »Deine Berührung scheint ihn zu beruhigen. Lass sie da, bis ich ihn betäubt habe.«
Zärtlich streichelte sie seine Finger, die ihr das Leben gerettet und so viel Lust bereitet hatten, und ein paar Minuten später nickte Shade.
»Er ist bewusstlos, und das sollte in den nächsten Stunden auch so bleiben.«
»Er wird doch wieder ganz gesund, oder?«
»Klar. So einfach bringt man uns nicht um. Nur zu deiner Information, Aegi.« Er sammelte seine Ausrüstung zusammen und forderte sie mit einer Geste auf, ihm in die Küche zu folgen, wo er sich wusch. »Wenn Wraith anruft, sagst du ihm kein Wort hiervon. Wenn er vorbeikommt, lass ihn nicht rein.«
»Warum nicht?«
Er zögerte so lange, dass sie schon dachte, er würde gar nicht antworten, aber als er sich die Hände abtrocknete, sagte er: »Eidolon wurde nicht für etwas bestraft, das er selbst getan hat, sondern für etwas, das Wraith getan hat. Wraith darf es niemals erfahren.«
»Dann hat das Ganze also überhaupt nichts mit dem zu tun, was in meiner Wohnung passiert ist? Das verstehe ich nicht.«
»Musst du auch nicht.«
»O doch, das muss ich. Ich werde Eidolon nichts antun, sonst hätte ich es doch längst gemacht, statt dich anzurufen, oder?«
Shade fletschte die Zähne. »Wenn du das nicht getan hättest, hätte ich – «
»Hab ich aber«, entgegnete sie scharf. »Also sag mir jetzt, wieso er beinahe für etwas gestorben ist, das euer Bruder getan hat.«
»Ich. Mag. Dich. Nicht.«
»Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit, mein Freund. Und jetzt leg los.«
Shade stieß scharf die Luft aus, als ob ihn das beruhigen würde. Zumindest aber ließ es ihn reden. »Wraith ist zum Teil Vampir, aber er ist auch Seminus-Dämon. Die Gesetze der Vampire und der Semini stimmen nicht immer überein, und er steht halt dazwischen. Die beiden Räte können sich nicht darüber einig werden, wie er für diverse Vergehen bestraft werden sollte, aber sie fordern beide, dass irgendjemand dafür geradesteht.«
»Wieso Eidolon?«
»Weil Wraith es nicht überleben würde.«
Das war wirklich krank, und es fachte all ihre Schutzinstinkte an, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie besaß.
»Ich kapier nur nicht, wieso Wraith so was zulassen sollte. Warum hört er nicht mit dem auf, was er da tut? Mit dem, für das Eidolon zusammengeschlagen wird?«
»Wraith hält sich für unantastbar. Er hat keine Ahnung, was Eidolon erleidet. Wenn er es täte, wenn er wüsste, was E durchgemacht hat … « Shade schüttelte den Kopf. »Wir würden ihn verlieren. Er darf es nie erfahren.«
»Das ist doch verrückt. Ihr müsst es ihm sagen. Das muss aufhören. Was, wenn sie Eidolon das nächste Mal umbringen?«
»Das geht dich nichts an. Wie ich sagte – nicht ein einziges Wort. Wenn du Wraith gegenüber auch nur den kleinsten Hinweis fallen lässt, werde ich dich umlegen, Jägerin.«
Sie klatschte beide Handflächen auf den Küchentresen und beugte sich vor, um ihn anzuknurren: »Versuch’s doch, Arschloch.«
Shades Augen flammten golden auf und erinnerten sie an den Mann, der in dem anderen Zimmer lag und still litt; erinnerte sie daran, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um einen Streit mit dem Dämon anzufangen, der ihm geholfen hatte. Er schien zu demselben Schluss zu kommen, und das Gold schmolz hinweg, um durch das unheimliche Schwarz-Braun ersetzt zu werden, das nie zur Ruhe zu kommen schien, als ob hinter seinen Augen ein Schatten lauerte.
»Du siehst aus wie Eidolon«, sagte sie ruhig, »aber du bist so anders.«
Er grunzte. »Alle Seminus-Dämonen sind nahezu identisch mit ihren Brüdern, aber unser Verhalten unterscheidet sich, weil wir von verschiedenen Spezies aufgezogen werden.«
»Aber … Wraith. Er ist blond.«
»Blondiert.«
»Seine Augen sind blau.«
»Das liegt daran, dass es nicht seine sind.«
» Es sind nicht seine Augen ?«
Shade legte sich seine Tasche um; er hatte genug von dieser Unterhaltung. »E wird gegen Morgen geheilt sein. Versuch ihn dazu zu bringen, viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, und … « Er verstummte und
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