Demonica - Ione, L: Demonica
arbeitete sie sich zum alten Gehege der Koalas vor, indem sie verlassene Gebäude und Bäume als Deckung benutzte. Rasch und sicher schlüpfte sie durch Gestrüpp und wuchernde Hecken, bis sie zu einem Pavillon gelangte, der an ein von Glaswänden eingefasstes Habitat angrenzte. Das Rascheln von Bewegungen und das leise Knirschen von Schritten auf Kiefernnadeln machten sie auf die Gegenwart anderer aufmerksam, noch bevor sie einige stachelige Äste mit dem Ellbogen zur Seite schob.
In der Mitte des Pavillons kniete Gem mit gesenktem Kopf, während Lori ihr die Hände hinter dem Rücken fesselte. Wo war Luc?
»Wann kann ich meine Eltern sehen?«, fragte Gem.
»Ich hab dir nicht erlaubt zu sprechen.« Jagger schlug sie so hart, dass ihre Nase zu bluten anfing, und es kostete Tayla jedes Fitzelchen Selbstbeherrschung, nicht aus den Sträuchern hervorzustürmen und ihn in Stücke zu reißen.
In Gems Augen blitzten Hass und Trotz auf, aber als sie einen heimlichen Blick auf das Gestrüpp warf, in dem Tayla hockte, zog sich einer ihrer Mundwinkel befriedigt nach oben. Als Tay bewusst wurde, was das bedeutete, hätten ihre überwältigenden Emotionen sie beinahe ihrer Kraft beraubt: Gem hatte keine Angst. Sie machte sich nicht mal Sorgen. Nein, sie wusste, dass ihr nichts geschehen würde, ganz egal, wie schlimm ihre Lage zu sein schien. Sie hatte Verstärkung. Sie hatte Tay und Eidolon und seine Brüder. Sie hatte Familie.
Ja klar, sie waren alle eine große, glückliche Dämonenfamilie. Und Tayla musste zusehen, dass sie sich nicht zu sehr von Gefühlen überwältigen ließ, denn die Mission war noch lange nicht vorbei. Es war Zeit, ihr Spielgesicht aufzusetzen und die rührseligen Momente auf später zu verschieben.
Lori war mit dem Fesseln fertig. Jagger überprüfte den Knoten, und dann, mit einer Bewegung, die Tayla bis ins Mark erschütterte, packte er Lori bei den Haaren und zerrte sie zu sich, sodass sie einander ins Gesicht sahen. »Ich wünschte, wir könnten sie töten.«
»Wir haben Anweisungen.«
»Ja«, murmelte er und fuhr mit einem Finger über ihre Lippen. »Aber eines Tages will ich dich im Blut unserer Jagdbeute lieben.«
Ach du lieber Gott. Sie waren ein Liebespaar. Ein widerliches, böses Liebespaar. Obwohl Tayla zugeben musste, dass Lori von der Idee, sich nackt in Dämonenblut zu wälzen, nicht gerade begeistert zu sein schien. In der Tat wehrte sie sich gegen seinen Griff, als er sie küsste, beziehungsweise praktisch in ihren Hals hineinkroch.
» Was ist das denn für eine Scheiße?«
O Mist. Kynan stand auf der anderen Seite des Pavillons, seine Miene eine Mischung aus Schreck, Verzweiflung und Wut.
Erschrocken riss Lori Augen und Mund auf und entfernte sich hastig von Jagger, als hätte ihr Mann nicht schon mitgekriegt, dass sie einen anderen küsste.
»Kynan – «, sagte sie, aber er sah sie gar nicht an. Sein Blick klebte an Jagger, und in seinen Augen stand Mordlust. Die Männer standen völlig regungslos da, und dann, in der nächsten Sekunde, trafen sie in einer blindwütigen Explosion aus Blut und Körperteilen aufeinander, wie zwei rivalisierende Löwen.
»Verdammt!« Tay platzte aus dem Gebüsch und stürzte auf Gem zu. Schluchzend wich Lori von den Kämpfenden zurück, die Hand auf den Mund gepresst, als ob sie am liebsten losschreien würde. Aber das tat sie nicht. Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte davon.
Tayla schnappte sich Gem und zog sie von den beiden Männern weg, die sich nicht darum scherten, was ihnen zufällig in den Weg geriet. Ky und Jagger, beides ausgezeichnete Kämpfer, bewegten sich normalerweise mit einer gewissen Grazie, entschlossen und zielstrebig … es war wunderschön, ihnen beim Kampf zuzuschauen. Aber nicht in dieser Nacht. In dieser Nacht ging es um Schmerz, wer den meisten Schmerz verursachen, das meiste Blut fließen lassen konnte. Nichts daran war graziös oder schön. Es war wild und brutal – ein Kampf bis auf den Tod.
»Schwester?«
Tayla wandte den gebannten Blick vom Kampf ab. »Schwester?« Es war das erste Mal, dass sie so angeredet wurde. Schwester. Es war ein seltsames Gefühl. Aber gut.
»Ja, Schwester«, sagte Gem. »Hallo, ich bin’s, der gefesselte Zwilling.«
»Stimmt.« Im Nu hatte Tayla ihr S’teng hervorgezogen und durchtrennte die Fesseln, die die Handgelenke ihrer Schwester zusammenbanden. »Wo ist Luc?«
»Ich hab ihn am Eingang zurückgelassen, als meine Eltern zu der Zeit, wo ich meine Kontakte hier
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