Demonica - Ione, L: Demonica
überdenken.«
»Niemals.«
»Sagen Sie niemals niemals, Doktor.« Das Lachen eines Geistesgestörten drang knisternd über den Äther an ihr Ohr. Damit beendete der Bastard das Gespräch, und sie blieb zitternd und von Übelkeit befallen zurück.
»Gemella, Liebes, du siehst aber gar nicht gut aus.«
Von der Stimme ihrer Mutter überrascht, stieß Gem einen leisen Schrei aus und wirbelte herum. »Es ist nichts. Nur ein kleines Problem auf der Arbeit.«
»Das muss aber ein mächtig großes kleines Problem sein.« Ihre Mutter, deren menschlicher Name Eileen war, reichte Gem den Margarita in ihrer Hand. »Sieht so aus, als ob du den mehr brauchst als ich.«
Gem hatte den Cocktail praktisch inhaliert, obwohl sie nur selten Alkohol trank. Zu viel davon hob die Wirkung der Schutzzauber auf, die auf ihren Körper eintätowiert waren, um ihre dämonische Hälfte in Schach zu halten. Diese eine Margarita war auch ihre letzte geblieben, aber jetzt, als sie das Haus ihrer Eltern durchsuchte, in der Hoffnung, sie seien noch dort, trotz der blutigen Beweise des Gegenteils, zog sie in Erwägung, in deren Bar einzubrechen und alles auszutrinken, was da war. In diesem Moment wäre es vielleicht gar keine so schlechte Idee, den inneren Dämon loszulassen.
Ihr altes Zimmer hatte sie sich bis zuletzt aufgespart. Ihre Eltern hatten es genauso gelassen, wie es war, als sie vor fast fünf Jahren ausgezogen war, um die medizinische Fakultät zu besuchen – zwei Jahre früher als andere, was sie dem militanten Hausunterricht ihrer Eltern verdankte, der ihr auf dem College einen Riesenvorsprung verschafft hatte. Sie hatten immer gehofft, sie würde nach ihrem Abschluss wieder bei ihnen einziehen, so wie es viele Kinder von Sensor-Dämonen taten, bis sie von ihren Eltern einen Gefährten zugewiesen bekamen. Aber Gem war kein Sensor, und wenn sie die Familie, die sie adoptiert hatte, statt sie als Säugling zu töten, auch liebte, benötigte sie doch ihren eigenen Raum, um zu entdecken, wer sie war und wohin sie wirklich gehörte.
Außerdem hatte sie keine Lust auf einen Gefährten, den ihre Eltern ausgesucht hatten.
Ihr Zimmer, das in Schwarz, Karminrot und Blau gehalten war, hatte ihre Mutter in den Wahnsinn getrieben, was im Großen und Ganzen auch die Absicht dahinter war. Gem, von Anfang an eine Rebellin, hatte ihre Eltern im Laufe ihrer vierundzwanzig Jahre vermutlich schon öfter die Entscheidung bereuen lassen, sie aufzuziehen. Aber sie liebten sie auch, daran hatte sie nicht den geringsten Zweifel. Ihre Mom hatte sie nicht einmal ohne eine kräftige Gutenachtumarmung ins Bett gehen lassen, und ihr Vater hatte jeden dritten Samstag im Monat reserviert, um etwas ganz Besonderes mit ihr zu unternehmen, nur sie beide. Da sie wussten, dass sie sich später einmal würde integrieren müssen, hatten sie ihr eine sehr normale Kindheit bereitet, die Kirchenbesuche, Übernachtungen bei Freundinnen und Campingausflüge beinhaltete. Solange sie den sicher verschlossenen Keller ignorierte, konnte sie sich beinahe einbilden, dass sie – und ihre Eltern – Menschen wären.
Obwohl sie nicht erwartete, etwas zu finden, durchsuchte sie ihr Zimmer und fand genau das: nichts. Die Ghule hatten tatsächlich ihre Eltern gekidnappt, diese Scheißkerle. Sie ging zur Tür und hielt an der Kommode kurz inne.
Nein .
Aber sie musste. Sie hatte es schon viel zu lange vor sich hergeschoben.
Mit klopfendem Herzen öffnete sie die oberste Schublade und fummelte mit ungeschickten Händen daran herum, bis sie das dünne Fotoalbum fand, das sie mit Klebeband an der Unterseite befestigt hatte. Als sie es ablöste, zitterten ihre Hände so stark, dass sie das kleine, ledergebundene Buch fast fallen gelassen hätte.
Am liebsten hätte sie es gar nicht geöffnet. Das Ding fühlte sich schwerer an, als es war; das Phantomgewicht von Erinnerungen, die niemals hätten existieren dürfen, es aber dennoch taten.
O Gott, was war sie doch für eine Drama Queen.
Von sich selber angewidert öffnete sie das Buch und blätterte durch die zwei Dutzend Fotos. Allesamt von Leuten, die gar nicht wussten, dass sie auf Film gebannt worden waren. Alle aus einer gewissen Entfernung aufgenommen.
Und alle von Tayla Mancuso und der inzwischen verstorbenen Mom der Jägerin.
8
Sie brauchte drei Minuten, um Eidolon ans Bett zu fesseln. So verlockend es auch war, ihn zu töten, wusste Tayla doch, dass die Aegis mehr von seinem Überleben profitieren würde. Zumindest redete
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