Demonica - Ione, L: Demonica
Eins stand fest: Sie würde stärker sein müssen.
Eidolon musste sterben.
Als sich die Tür endlich öffnete, kam Kynan heraus und schenkte ihr dieses unwiderstehliche Lächeln, auch wenn sich seine blauen Augen sorgenvoll verdüstert hatten. Es gab nicht viel, das ihm entging. Er schien immer schon zehn Sekunden früher zu wissen, was gleich geschehen würde. Ehe sie Eidolon gekannt hatte, war sie der Überzeugung gewesen, dass Kynan der begehrenswerteste Mann war, den sie je gesehen hatte.
»Tut mir leid«, sagte er. Seine Stimme war eine heisere Mischung aus Stimmbandverletzung, die er sich auf dem Schlachtfeld in Afghanistan zugezogen hatte, und dem Afterglow nach dem Sex. »Aber manchmal vergessen wir einfach, die Tür zu verschließen.«
Manchmal? Lori hatte ihr einmal gestanden, dass sich, wenn Kynan und sie in Stimmung kamen, ihre Leidenschaft so schnell hochschaukelte, dass sie es schon einmal in einem Raum voller Menschen getrieben hatten. Erst als sie fertig waren und feststellten, dass sie allein zurückgeblieben waren, war ihnen bewusst geworden, wie sehr sie sich hatten hinreißen lassen.
Tay konnte sich nicht einmal vorstellen, so sehr auf irgendjemanden zu stehen. Ganz bestimmt nicht auf jemanden wie Eidolon, der noch nicht mal ein Jemand war. Er war ein Etwas .
Er öffnete die Tür noch weiter und bedeutete ihr mit einer Geste einzutreten. »Wo bist du gewesen? Wo ist Janet?«
Völlig unvorbereitet brannten Tränen in ihren Augen. Es starben ständig Wächter. Aber sie plagte das schlechte Gewissen wegen Janets Tod. Wenn Tayla nur schon vor Monaten über ihre seltsamen Symptome geredet hätte. Wenn sie sich doch nur vom aktiven Dienst hätte befreien lassen. Wenn, wenn, wenn.
Ihre Selbstvorwürfe waren sinnlos, aber das lag wohl in der Familie, eine Sucht, die genauso mächtig war wie jede andere. Als sie clean gewesen war, hatte sich Taylas Mutter jeden Tag die schlimmsten Vorwürfe wegen der Dinge gemacht, die sie getan hatte, als sie high war. Diese Selbstzerfleischung war genauso schlimm gewesen wie die Drogen.
Tayla ließ sich auf einen der dick gepolsterten Sessel fallen, froh, ihren Beinen eine Ruhepause zu gönnen, die sich wie schlabbrige Spaghetti anfühlten. »Janet und ich hatten Schwierigkeiten.«
Lori kam zu ihr geeilt und hockte sich neben ihr Knie. »Erzähl es uns«, sagte sie sanft. Ihre tröstliche, mütterliche Ausstrahlung stand in seltsamem Widerspruch zu der Kriegerin, die ein Nest mannsgroßer Croix-Vipern mit nichts als einem Beil auslöschen konnte.
Sie trug ihren Spitznamen, June Cleaver – Hackbeil – nicht umsonst.
Kynan fuhr sich mit der Hand durch das stachelige, braune Haar, das sich, wie sie von Fotos wusste, seit seinen Armeetagen nicht verändert hatte. »Sie ist tot, stimmt’s?«
»Jepp.«
»Verdammt.« Er sank auf die Couch und ließ sich nach hinten fallen. Mit gespreizten Beinen und zurückgelegtem Kopf starrte er auf den Deckenventilator, der sich träge drehte. »Wo? Wir müssen ihre Überreste holen.«
»Wir sind am Aspen ins Kanalsystem eingestiegen. Sie liegt ein paar Blocks nördlich davon.«
Ihr drehte sich der Magen um. Die Wächter würden nicht mehr viel finden, wenn überhaupt. Vermutlich war Janets Leiche inzwischen verschleppt oder aufgefressen worden. Jeder Wächter kannte und akzeptierte das Risiko, auf Dämonenterritorium getötet zu werden. Aber es waren die Überlebenden, die litten, wenn ihre Kameraden fielen.
»Wir haben zwei Cruenti aufgescheucht, die es hinter einem Müllcontainer getrieben haben. Das Weibchen haben wir getötet, aber das Männchen ist mit eingeklemmtem Schwanz auf und davon. Wir sind hinterher, hatten eine kleine Auseinandersetzung mit einem Hocker-Dämon, und dann hat der Cruentus uns in einen Hinterhalt gelockt.«
Lori und Kynan wechselten Blicke. Man musste kein Genie sein, um zu wissen, was sie dachten. Ein Cruentus hätte es eigentlich nicht mit zwei erfahrenen Kämpferinnen aufnehmen können. Auf gar keinen Fall durfte sie die Wahrheit über das sagen, was während des Kampfes passiert war, wie sie die Gewalt über ihre rechte Körperhälfte verloren hatte.
Die Aegis beschäftigte Ärzte, und Kynan, der bei der Armee als Sanitäter gedient hatte, war in der Lage, einen Großteil der Verletzungen zu verarzten, aber trotz ihrer Schuldgefühle wusste sie tief in ihrem Inneren, dass sie ihre seltsamen Symptome geheim halten musste. Wenn die Wahrheit herauskam, würde man sie vom Außendienst
Weitere Kostenlose Bücher