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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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überhaupt nicht. Ihr Mann sagt, dass sie noch nie länger weggeblieben ist, ohne Bescheid zu geben.«
    »Kann sie nicht einfach mit irgendwem nach Hause gegangen sein?«, fragte Norrby und verzog das Gesicht. »Mit jemandem, den sie spannender findet als ihren Ehemann?«
    »Das kann natürlich sein, aber trotzdem müsste sie inzwischen doch wieder aufgetaucht sein? Verdammt, es ist doch fast schon halb fünf. Die Frau hat drei kleine Kinder!«
    »Das sollte man meinen, aber in unserem Job gibt es doch immer wieder Überraschungen«, sagte Norrby.
    »Du meinst nicht, dass du jetzt ein wenig überreagierst?«, fragte Wittberg und schaute Knutas an. »Ist es nicht etwas übertrieben, Alarm zu schlagen, nur weil eine Frau nicht auf direktem Weg von einer Kneipe nach Hause gegangen ist?«
    Wittberg fuhr sich mit der Hand durch seine üppigen dunklen Locken und rieb sich dann über die Bartstoppeln, die sein Kinn und seine Wangen bedeckten. Vor ihm stand eine halb volle Flasche Cola.
    »Bist du verkatert, oder was?«, fragte Karin und versetzte ihm einen Rippenstoß.
    »Äh.« Wittberg zog die Augenbrauen hoch.
    Knutas musterte ihn gereizt.
    »Wenn wir bedenken, dass wir gerade einen Frauenmord hatten, dann finde ich, wir sollten der Sache hier sofort nachgehen. Wir hören uns zuerst einmal an, was die Freundinnen zu sagen haben. Karin, du kannst doch die in der Bogegatan übernehmen? Die anderen beiden wohnen im Tjelvarvägen, die nehmt ihr euch vor«, sagte er an Wittberg und Norrby gewandt. »Ich fahre zum Ehemann. Und danach treffen wir uns hier wieder. Sagen wir, gegen acht?«
    Die Stühle scharrten, als alle sich erhoben. Norrby und Wittberg tuschelten miteinander. Verdammt, der spinnt doch. Uns deshalb am Wochenende herzuschleifen. Eine Frau, die ihren Mann hintergangen hat. Kopfschütteln und Seufzer.
    Knutas achtete nicht auf sie.
     
    Er stand bis zur Taille im kalten Wasser. Er wurde durch und durch kalt und fand es wunderbar. Es erinnerte ihn daran, wie er als Kind beim Sommerhaus mit seinem Vater und seiner Schwester gebadet hatte. An das erste Untertauchen im eiskalten Meer. Wie sie gelacht und geschrien hatten. Es war eine seiner wenigen glücklichen Kindheitserinnerungen.
    Die Mutter war natürlich nicht dabei gewesen. Sie badete nie. Sie war immer beschäftigt. Mit Spülen, Waschen, Kochen, Bettenmachen, Aufräumen. Er wusste noch, wie er darüber gestaunt hatte, dass das immer so lange dauerte. Sie waren nur zu viert, und auch sein Vater erledigte viel im Haushalt. Aber aus irgendeinem Grund hatte sie immer alle Hände voll zu tun gehabt. Nie war Zeit gewesen, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Mit ihnen zu spielen.
    Wenn sie einen Moment Ruhe hatte, löste sie Kreuzworträtsel. All diese verdammten Kreuzworträtsel. Manchmal versuchte er, ihr zu helfen. Setzte sich neben sie und machte Lösungsvorschläge.
    Aber dann fauchte sie ihn an, weil er ihr einziges Vergnügen störte. Sie wollte keine Hilfe, schob ihn beiseite. Wie immer.
    Er schaute auf das Meer hinaus. Es war grau und still. Wie der Himmel. Er hatte ein fast andächtiges Gefühl. Alles war ruhig. Als hätten Zeit und Raum sich aufgelöst. Und da war er. Jetzt hatte er sich an das kalte Wasser gewöhnt. Fasste sich ein Herz und tauchte unter.
    Danach saß er nackt auf der aufklappbaren Bank und trocknete sich ausgiebig ab. Er fühlte sich geläutert. Das Fach in der Bank unter ihm war voller geworden. Er warf ab, was ihn in all den Jahren belastet hatte. Je mehr Blut er vergoss, umso reiner kam er sich vor.

 
     
     
     
    Södervärn liegt gut einen Kilometer von der Stadtmauer entfernt. Die Häuser dieses Stadtteils stammen vor allem aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, doch hier und da stehen auch Neubauten. Familie Lindh wohnte in einem solchen Haus. Es war einstöckig, mit weißen, verglasten Platten verkleidet und hatte eine breite Garagenauffahrt und einen Briefkasten nach amerikanischem Vorbild. Auf der Straße spielten kleine Jungen mit Hallenhockeyschlägern. Abwechselnd schossen sie den Ball auf ein Tor, das sie auf dem Bürgersteig aufgestellt hatten. Knutas parkte seinen alten Mercedes vor dem weißen Lattenzaun. Er sah kleine Schilder in den Fenstern, die besagten, dass eine der größten Wachgesellschaften einen Einbruchalarm installiert hatte. Das war auf Gotland ziemlich selten.
    Er schellte, und irgendwo im Haus ertönte eine Glocke.
    Fast sofort öffnete Stefan Lindh die Tür. Knutas zeigte ihm seinen

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