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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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glaubte mir, wollte das aber nicht. »Zu viele Leute werden wissen, dass das nicht die Wahrheit ist.«
    Ich zuckte die Schultern. »Wir missachten die Wahrheit seit Jahren; mit dieser Gewohnheit bricht man nicht so leicht. Wer
     immer Pyke ermordet hat, weiß, wie man den Menschen sagt, was sie hören wollen.« Diese Tatsache schmälerte die Liste der Verdächtigen
     nicht: Das Land quoll über von Verrätern, Speichelleckern und Werbefritzen. »Mir ist es eigentlich egal, wer ihn ermordet
     hat. Mehr Sorgen bereitet mir die Frage, wie sein Tod Whites Motivation beeinflussen wird, mich zu bezahlen.« Ich besaß noch
     immer die Aufnahme von Georges und Pykes letztem Gespräch. White würde sie brauchen, um alle Zweifel daran zu ersticken, dass
     Pyke bei Bruder Isaiahs Ermordung die Hand im Spiel gehabt hatte. Das Problem bestand aber darin, dass er immer noch Iris’Identität würde erfahren wollen, und White vertrug eine Abfuhr nicht gut.
    »Du denkst immer noch, dass Pyke Bruder Isaiah ermordet hat?« Sie wirkte von mir enttäuscht.
    »Er hat nicht abgestritten, dass er den Mord geplant hatte, wollte aber nicht zugeben, den Plan auch ausgeführt zu haben.
     Vielleicht war er einfach nur ein Bauernopfer.« Das würde erklären, warum Pyke gerade rechtzeitig freigelassen worden war,
     um vor seinen Schöpfer zu treten. »Für mich reicht das. Es tut mir leid, dass es kein Liberaler oder Terrorist war, aber das
     musst du eben akzeptieren.«
    »Das ist nicht der Grund, aus dem ich dir nicht glaube. Ich habe nur   …«
    Ich sah ihren Augen an, dass es eine Frage der inneren Überzeugung war und dass sie dachte, ich würde sie nicht verstehen.
     Sie glaubte mir noch immer nicht, doch sie würde erst Frieden finden, wenn sie es tat.
    »Was kann ich tun, um dich zu überzeugen?« Ich musste einen Beweis finden, der ihr innere Ruhe verschaffte. So viel war ich
     ihr schuldig.
    Iris ging ins Badezimmer und öffnete den Deckel des Toilettenspülkastens. Sie holte ein durch eine Plastiktüte geschütztes
     Päckchen heraus und reichte es mir.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Alles, was ich gegen Thorpe und seinen Sohn in der Hand habe.«
    In der Tüte befanden sich ein Memorystick und mehrere Mappen. Darin lagen Kopien der Akten des
Kreuzzugs
über die Familie Thorpe. »Warum hast du mir das nicht schon früher gezeigt?«
    »Bisher habe ich dir nicht vertraut. Finde da drin etwas, das Thorpes Unschuld beweist.«
    Nach dem Umfang der Unterlagen zu schließen, hatte der
Kreuzzug
seine übliche Gründlichkeit beim Aufwühlen der Geheimnisse anderer an den Tag gelegt. »Dafür brauche ich eine Weile.«
    »Es eilt nicht, und du musst dich ausruhen. Es ist Zeit, schlafen zu gehen.«
    Ich half Iris, den Tisch abzuräumen.
    »Ich nehme das Sofa«, sagte ich.
    »Ich kann einem Kranken nicht das Bett wegnehmen.«
    Es folgte ein bedeutungsschweres Schweigen. Sie küsste mich. Ich küsste sie. Danach arbeiteten wir im Team.
    Dann zog Iris sich plötzlich zurück, gerade so weit, dass ich den inneren Konflikt in ihrem Gesicht sehen konnte. »Es tut
     mir leid«, sagte sie. »Ich möchte   … Ich habe Bruder Isaiah versprochen, dass ich vor meiner Hochzeitsnacht keinen Sex mehr haben würde. Das wirkt albern, wenn
     man bedenkt, was ich alles gemacht habe   …«
    »Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen«, erklärte ich.
    »Das möchte ich aber. Meine Mutter ist schwanger geworden, als sie siebzehn war. Ich glaube nicht, dass sie meinen Vater kannte.
     Sie wollte eine Abtreibung, aber es gab nur eine einzige Klinik im ganzen Bundesstaat, die so etwas durchführte. Während sie
     auf der Warteliste stand, ging sie zu einem Schwangerschaftsberatungszentrum. Dort zeigte man ihr Fotos von Föten, erzählte
     ihr, wie die Ärzte mich abschlachten würden und betete mit ihr. Am Ende beschloss sie, mich auszutragen. Als ich ein halbes
     Jahr alt war, beging sie Selbstmord. Sie hat keine Nachricht hinterlassen. Alle nahmen an, es sei eine postnatale Depression
     gewesen, und ließen es dabei bewenden. Meine Mutter erhielt ein Begräbnis auf Staatskosten, und ich verschwand ins Pflegefamiliensystem.
    Ich möchte die Fehler meiner Mutter nicht wiederholen, und ich möchte kein Ungeborenes töten, das ich selbst hättesein können. Ich muss dieses Versprechen halten; so viele andere habe ich gebrochen.«
    Ich hielt ihre Hand und konnte mich nicht erinnern, wie lange schon. »Es ist besser so. Du willst dich nicht noch mehr mit
     mir

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