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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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sich eine Gasse bahnte.
    »Verstehe«, sagte Gill tonlos.
    Ohne nennenswerten Widerstand ließ sie sich durch das Gewühl lotsen. Bis zu jenem Tisch, für den Lulu heute Morgen ernstlich dankbar war: den Tisch von Fusselbart. Er wartete bereits und grinste erfreut, als er Lulu erspähte. Dann entdeckte er Gill, und sein Lächeln wurde breiter.
    »Darf ich Ihnen meine Frau Mutter vorstellen?«, flötete Lulu, die das Zusammentreffen von Fusselbart und Gill höchst unterhaltsam fand. Hätte der Zufall die Prinzessin auf der Erbse und das Krümelmonster an einen Tisch gesetzt, wäre das Ergebnis kaum absurder ausgefallen.
    Fusselbart legte das Besteck beiseite, mit dem er gerade einen Teller Rostbratwürstchen erledigte. Er erhob sich, riss Gills rechte Hand an sich und streifte sie mit seinen fettverschmierten Lippen.
    »Gnädige Frau«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete, »es ist mir eine Ehre, die Mutter meiner bezaubernden Mitreisenden kennenzulernen!«
    Sofort klaubte Gill eine Serviette vom Tisch und rieb sich den fettglänzenden Handrücken ab.
    »Wer – ist – das?«, stieß sie leise hervor.
    Lulu spürte ein Teufelchen in sich erwachen. Einerseitswar Gill ihre Mutter und hatte Respekt verdient. Andererseits war sie es gewesen, die dieses Hotel ausgesucht und noch dazu einen heimlichen Überfall geplant hatte. Alles in allem reichte das für eine kleine Schocktherapie. Strafe musste sein.
    Verschwörerisch raunte sie ihrer Mutter zu: »Der ist nur ein One-Night-Stand. Ein bisschen schlechter Sex zum Üben, völlig belanglos. Willst du ihn haben?«
    Das reichte, um Gill stumm auf einen freien Stuhl plumpsen zu lassen.
    »Ihr Fräulein Tochter ist höchst bemerkenswert«, schwärmte Fusselbart, während er in eines seiner Rostbratwürstchen biss. »Dasch habe isch gleisch gesehen«, fuhr er kauend fort und spülte mit einem Schluck Café con leche nach.
    Gill brachte kein Wort heraus.
    »War ein Scherz«, flüsterte Lulu ihr zu. »Das mit dem One-Night-Stand. Ich hatte ihn beide Nächte.«
    »Wer hat Lust auf Rührei?«, rief Lotte. »Willst du auch was, Oma? Dann bring ich dir einen Teller mit!«
    »Nenn mich nicht …«, setzte Gill an, dann winkte sie ab. »Vielleicht einen Cappuccino«, sagte sie mit ersterbender Stimme. »Mir ist der Appetit vergangen.«
    »Falsch!« Fusselbart hob seinen rechten Zeigefinger. »Morgens sollte man Kohlehydrate zu sich nehmen, um den Stoffwechsel zu aktivieren.«
    »Er ist Lehrer«, erklärte Lulu. »Er weiß alles.«
    Fusselbart hüstelte geschmeichelt. »Fast alles«, verbesserteer Lulu. »Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Meyer …«
    »… mit Ypsilon«, riefen Lulu und Lotte im Chor.
    Sichtlich nervös, kratzte sich Fusselbart seine spärliche Gesichtsbehaarung, in der auch heute Morgen ein frischer Klecks Senf klebte.
    »Seine Frau hat Pickel und spuckt den ganzen Tag«, erzählte Lotte fröhlich.
    Gill setzte ruckartig ihre Sonnenbrille auf, als könnte sie sich auf diese Weise unsichtbar machen.
    »Ein Virus«, sagte Fusselbart achselzuckend. »Sie sollten aufpassen, wirklich. Mit Appetitlosigkeit fängt es an, dann kommt die Übelkeit, und wenn Sie sich erbrechen …«
    »Ersparen Sie mir den Rest«, herrschte Gill ihn an. Dann stand sie so abrupt auf, dass ihr Stuhl umfiel, und richtete einen drohenden Zeigefinger auf Lulu. »Kind, ich muss mit dir reden!«
    »Wird der Tisch frei?«, erkundigte sich ein Ehepaar mit zwei Kindern, die Teller voller Brötchen in ihren Händen hielten. Ohne weitere Aufforderung kaperte der Vater den umgefallenen Stuhl und stellte seinen Teller auf den Tisch.
    Gill sah ihn entgeistert an. Dann marschierte sie auf und davon. Das Stöckeln ihrer Absätze auf den Fliesen klang wie eine Maschinengewehrsalve.
    »Ich glaube, Ihre Frau Mutter hat Ihnen etwas zu sagen«, bemerkte Fusselbart unnötigerweise. »Oder soll ich mich um sie kümmern?«
    »Sie holen der Kleinen ein Rührei, wenn ich bitten darf.Ich erledige das selber!«, erwiderte Lulu und erhob sich ebenfalls.
    Nicht genug, dass die Frühstücke in diesem Hotel so erfreulich wie Wurzelbehandlungen waren. Jetzt hatte sie auch noch ihre Mutter an der Hacke. Aber vielleicht sah sie ja ein, dass der geplante Familienurlaub nicht die beste Idee gewesen war.
    Lulu hastete quer durch das überfüllte Restaurant und entdeckte Gill schließlich an der Rezeption, wo sie gleichzeitig telefonierte und sich mit ihrem Sombrero Luft zufächelte.
    »Ist was nicht in Ordnung, Mutter?«,

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