Den lass ich gleich an
die befreite Mitte und die Nummer mit dem Sonnengeflecht. Was war schon die schreckliche Vierzig in diesem Augenblick? Sie wollte nicht mehr denken. Sie wollte nicht mehr in Selbstmitleid zerfließen. Sie wollte sich nur noch bewegen und sich spüren, jede einzelne Zelle ihres Körpers.
Sabrina war geistesgegenwärtig genug, um Lulu nicht die Laune zu verderben. Stattdessen sang sie ebenfalls mit.
»… my everything!«, fiel sie in den Refrain ein.
Nur wenige Meter entfernt stand ein Mann vollkommen regungslos da und sah Lulu zu. Wie sie lachte. Wie sie Tommy berührte. Wie sie kleine, spitze Schreie des Vergnügens ausstieß. Wenn es nicht so dunkel am Strand gewesen wäre, hätte man sehen können, dass er grüne Augen hatte.
Lulu jedoch hatte nur Augen für Tommy. Sie fand ihn niedlich, wie einen kleinen Bruder, der sie aufmunterte. Deshalb bemerkte sie nicht, dass sie beobachtet wurde. Und genauso wenig bemerkte sie, dass Alex nach einer Weile niedergeschlagen den Rückzug antrat.
Kapitel 12
Wie am Tag zuvor wartete die Stretchlimo vor dem Hotel, als Lulu mit ihrem Rucksack vor den Eingang trat. Sie kämpfte mit einem leichten Muskelkater nach der durchtanzten Nacht, doch sie fühlte sich blendend. Der kleine Flirt mit Tommy hatte wie ein Gegengift zu Alex gewirkt. Sie hatte es sogar geschafft, Tommy mit der freundlichen Beharrlichkeit einer Krankenschwester abzuwimmeln – obwohl er sich deutlich mehr von dem Abend versprochen hatte.
»Gut fürs Ego, schlecht für die Libido«, war Sabrinas Kommentar gewesen. Und wo sie recht hatte, hatte sie recht.
Lulu wollte keine Affäre. Schneller Sex war keine Lösung. Dann lieber als Nonne leben, einsam, aber verletzungsfrei. Sie hätte sich eine Menge mit Alex vorstellen können, doch leider sah es nicht nach einem Happy End aus.
Dabei hätten ihm Lulus neue Kleider bestimmt gefallen. Heute trug sie eins in Sonnengelb, mit Volants am Saum und Spaghettiträgern. Sabrina hatte ihr dazu eine zarte Silberkette geliehen. Doch sehr wahrscheinlich würde Alex dieses Kleid nie zu Gesicht bekommen, das war die traurige Wahrheit.
Der Chauffeur staunte nicht schlecht, als hinter Lulu eine ganze Reisegruppe auftauchte: nicht nur Philipp und Sabrina, sondern auch Gill mit Fusselbart und Lotte.
»Was ist mit Teddy und Freddy?«, fragte Lulu. »Dürfen sie mit?«
Philipp nickte. »Die Bedingung war allerdings, dass sie ihren Babysitter dabeihaben. Der Vater wollte sicher sein, dass alles korrekt abläuft.«
»Teddiiie! Freddiiiie! Hier sind wir«, rief Lotte in diesem Augenblick und lief ihren Freunden entgegen.
Dahinter tauchte ein junges Mädchen auf. Lulu wurde flau im Magen. Es war blutjung. Es war schlank. Und unfassbar hübsch. Madonnenscheitel, Kussmund, Blume im Haar – kein Zweifel, es war das Mädchen aus der Bar.
Das also war der Babysitter? Jenes Elfenwesen, das Alex angeflirtet hatte? Warum spielte ihr Kommissar Zufall solch einen fiesen Streich?
»Siehst du, was ich sehe?«, fragte Sabrina verwirrt.
»Voll Panne«, stöhnte Lulu.
Es war, als würde jemand ein Messer in ihre frische Wunde rammen, um dann noch eine gute Portion Salz daraufzustreuen.
Das junge Mädchen konnte natürlich nicht wissen, welche Gefühle sie mit ihrem Erscheinen ausgelöst hatte. Unbefangen gab sie allen die Hand und stellte sich in gebrochenem Deutsch als Rosita vor.
»Ist nette Kinder, das Teddy une Freddy«, sagte sie. »Freuen schöne Tag.«
Den schönen Tag kannst du dir an die Backe kleben, dachte Lulu wütend. Tagsüber machst du die liebe Nanny, abends baggerst du männliche Touristen an. Und so was soll ich mir jetzt stundenlang reinziehen? Kommt nicht in die Tüte.
»Ich glaube, wir sind zu viele für die Nobelkutsche«, befand sie. »So leid es mir tut, Teddy und Freddy nebst Personal müssen hierbleiben.«
Lotte stampfte mit dem Fuß auf. »Du bist gemein! Dann bleibe ich auch hier!«
Gill, die nicht ahnte, welche Gefühle Lulu gerade heimsuchten, versuchte zu vermitteln. »Wir schaffen das schon. Dann rücken wir eben etwas zusammen, und ich nehme Lotte auf den Schoß. So lang wird die Fahrt ja nicht dauern.«
Mit einem Freudenschrei fiel Lotte Gill um den Hals. »Danke, Oma, du bist die Beste!« Dann stürmte sie die Limousine. Da war nichts mehr zu machen. Lulus Laune sank auf einen neuen Tiefpunkt.
Der Wagen entpuppte sich tatsächlich als groß genug für alle, auch wenn es eng war. Eng und gemütlich, wie Gill feststellte. Selig drückte sie Lotte an
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