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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalena Koester
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einer Form, »aus der wir alle kommen und in die wir alle gehen«. Ihre Urne sollte einem Ei nachempfunden sein und die Asche bald wieder freilassen. So entstand der Name »das frEI« und eine ungewöhnliche Urne, deren raufaserähnlicher Korpus aus Stärke hergestellt wird und in der Erde nach einiger Zeit vergeht. Steht die Urne aber in einem Kolumbarium, behält sie ihre Form und kann daher für alle Bestattungsformen eingesetzt werden. Als Beiwerk besitzt die Urne einen drei Meter langen naturgefärbten Seidenschal, ist mit 35 cm Höhe recht groß und wiegt ein Kilo. Diverse Farbgebungen sind möglich, die Oberfläche kann durch Fotos, Zeichnungen, Gedichte oder eine Blattgoldauflage nach den Wünschen der Besteller gestaltet werden.
    Praktisch funktioniert das so: Die Urne hat keinen Deckel, dafür aber zwei gegenüberliegende runde Aussparungen. Mit einem Trichter wird die Asche zusammen mit der Namensmarke eingefüllt, sinkt auf den Boden und sorgt für einen stabilen Stand. Dann wird eine an beiden Enden offene Röhre, die sogenannte Beigabenhülse, zusammen mit einem hindurchgezogenen Seidenschal durch beide Löcher geschoben und die Urne auf diese Weise verschlossen. In die Beigabenhülse kann außer dem Schal eine Blume, ein Brief oder ein kleines Erinnerungsstück gesteckt werden. Der Schal selbst wird auf der anderen Seite ein Stück weit herausgezogen und dient sowohl als Schmuck der Urne wie auch als Halterung, um die Urne in die Graböffnung herabzulassen und sich wie ein Schleier darüber zu legen.
    Kirchliche Rituale
    Wer ist Mitglied welcher Kirche oder konfessionell gar nicht gebunden? Hier teilt sich Deutschland in drei große Gruppen auf. Die katholisch oder evangelisch getauften Bürgerinnen und Bürger sowie die Konfessionslosen. Sie stellen mit je 31 Prozent jeweils ein knappes Drittel der Bevölkerung. Es folgen die Muslime mit rund vier Prozent, weitere christliche Glaubensrichtungen mit zwei Prozent, Juden, Buddhisten und Hinduisten mit unter einem Prozent.
    In den Jahren 1970 bis 2000 sind die christlichen Bestattungen kontinuierlich zurückgegangen, auf katholischer Seite um 11,5 Prozent, auf Seiten der Evangelischen Kirche um rund 25 Prozent. Diese Entwicklung hat sich auch in den letzten Jahren fortgesetzt. Beide Kirchen verlieren kontinuierlich Mit-glieder. Bei der Katholischen Kirche gab es 2004 etwa rund 100 000 Austritte, die Evangelische Kirche beklagte sogar 140 000 Austritte. Inzwischen sinken bei beiden Kirchen die immer noch hohen Austrittsraten, während die Eintritte leicht zunehmen. Umfragen nach bezeichnen sich zwar rund 50 Prozent der Deutschen als gläubig, aber nicht alle bekennen sich zu einer Kirche. Bei der Onlineumfrage »Perspektive Deutschland« kam heraus, dass nur noch 11 Prozent Vertrauen in die katholische Kirche haben, bei der evangelischen Kirche waren es 17 Prozent der Befragten.
    Viele von denen, die an ihrer Konfession festhalten, kontaktieren ihre Kirche nur noch an den Wendepunkten des Lebens. Das wurde bei einer Umfrage der evangelischen Kirche deutlich: »Die Kirche soll den Menschen durch Rituale in biographischen Umbruchsituationen helfend zur Seite stehen.« Die Mitglieder wünschen sich von ihr vor allem »Amtshandlungen« wie Taufe, Trauung und Beerdigung.
    Der Vordenker (katholisch): Dr. Reinhard Hauke, katholischer Weihbischof in Erfurt
    Es sind zwei Dinge, die den Erfurter Weihbischof Dr. Reinhard Hauke zum engagierten Vertreter einer weltoffenen Trauerkultur gemacht haben. Er hat jahrzehntelang als katholischer Pfarrer an der Basis gearbeitet, und er vertritt eines der ärmsten und mitgliederschwächsten Bistümer Deutschlands. In der Diözese Erfurt leben nur 6,6 Prozent Katholiken neben 16 Prozent evangelischen Christen und einer überwältigenden Mehrheit von Nichtchristen. Das scheint Toleranz und kreatives Denken zu fördern.
    Bischof Hauke ist jemand, der Dinge ausprobiert, die in anderen Bistümern noch als undenkbar gelten. »Mein Aha-Erlebnis war, als ich vor einigen Jahren von einem Friedhofsmitarbeiter erfuhr, dass bei uns inzwischen mehr als 50 Prozent der Menschen anonym bestattet werden. Das hat mich sehr erschreckt, denn der Name eines Menschen ist doch ein Synonym für ihn selbst, für seine Identität«, sagt Hauke. Viele aber hätten kaum Erfahrungen in einer Kultur des Erinnerns. »Es ist schwer für die Menschen zu trauern, wenn die Asche ihres Angehörigen zusammen mit 600 anderen Urnen unter einem Rasenstück von zehn

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