Den letzten beißen die Dämonen
schiebt den Beutel auf uns zu. »Ich will, dass ihr dieses Geld loswerdet.«
Milde ausgedrückt ist das zumindest ein recht ungewöhnliches Anliegen. Verstohlen sehe ich mich zu Nunzio um, um seine Reaktion zu ergründen, und stelle fest, dass er mich ebenfalls anglotzt.
»Ich verstehe wohl nicht recht, Boss«, sage ich. »Was sollen wir damit machen?«
»Das ist mir egal, und ich will es auch gar nicht wissen«, sagt er. »Ich will nur, dass dieses Geld wieder im Königreich zirkulieren kann. Haut es von mir aus auf den Kopf, oder spendet es irgendeiner wohltätigen Stiftung. Noch besser, denkt euch irgendetwas aus, wie ihr es den Leuten zukommen lassen könnt, die sich darüber beschwert haben, dass sie ihre Steuern nicht aufbringen können.«
Nun bin ich vollkommen verwirrt und sehe Nunzio Hilfe suchend und durchaus nicht mehr verstohlen an, aber der zuckt nur mit den Schultern.
»Ich weiß ja nicht, Boss«, sage ich schließlich. »Irgendwie fühlt sich das verkehrt an. Ich meine, eigentlich sollten wir doch bei den Leuten die Steuern eintreiben und sie ihnen nicht aushändigen.«
»Was Guido meint«, wirft Nunzio ein, »ist Folgendes: Wir sind zwar darauf spezialisiert, aus Leuten oder Institutionen Gelder herauszuholen. Es aber gewissermaßen in sie zurückzustopfen, das liegt ein bisschen außerhalb unseres Aufgabenspektrums.«
»Dann wird es wohl mal Zeit, dass ihr euren Horizont erweitert«, sagt der Boss ziemlich streng. »Jedenfalls ist das euer Auftrag. Verstanden?«
Darauf kann es nur eine akzeptable Antwort geben.
»Jawohl, Boss«, sagen wir im Chor, wenn auch nicht sonderlich begeistert.
»Und vergesst nicht - kein Wort davon zum Rest der Mannschaft.«
»Wie du meinst, Boss.«
Ich greife mit der gesunden Hand nach dem Beutel. Er hat ein beeindruckendes Gewicht, und ich beschließe, es noch einmal zu versuchen.
»Ah ... bist du ganz sicher, dass du das tun willst, Boss?« frage ich. »Irgendwie klingt das nicht richtig. Die meisten Leute müssten ein Leben lang schuften, um so viel Geld zu verdienen.«
»Genau darum geht es ja«, murmelt er wie im Selbstgespräch. »Hä?«
»Egal«, sagt er. »Ja, ich bin mir sicher. Und jetzt tut es gefälligst. Okay?«
»Schon passiert.«
Keiner von uns sagt etwas, bis wir gedankenverloren wieder in Nunzios Zimmer ankommen. Kaum sind wir dort, werfe ich den Sack mit dem Gold auf Nunzios Bett und mich in einen Sessel. Nunzio bleibt stehen.
»Na schön«, sagt er und bricht damit das Schweigen. »Also, was denkst du?«
»Ich denke, wir sollten uns ein paar Geldgürtel und Satteltaschen suchen, um das Gold mitzuschleppen«, sage ich. »Es in diesem Sack mitzuzerren ist nicht nur eine offene Einladung für Ärger jeder Art, sondern auch eine Belastung für den Rücken.«
»Das ist alles?«, fragt Nunzio, und seine Quäkstimme klettert gleich eine Oktave höher. »Nach allem, was passiert ist, denkst du nur an deinen Rücken?«
»Was soll ich denn deiner Meinung nach sagen?«, schnappe ich zurück. »Dass der Boss übergeschnappt ist? Dass er so fern jeglicher Vernunft ist, dass er ohne Karte nicht mehr zurückfinden wird?«
»Naja«, sagt Nunzio, ein wenig überrascht von meinem Gefühlsausbruch. »Ist er doch, oder nicht?«
»Das ist so offensichtlich, dass es kaum extra erwähnt werden muss«, entgegne ich nun wieder in normalem Tonfall. »Ich meine, wirklich, das Geld weggeben? Kein Wunder, dass er das geheim halten will. Wenn Aahz das herausfindet, kriegt er auf der Stelle einen Herzinfarkt.«
»Und was sollen wir jetzt tun?«
»Tun?«, frage ich. »Hast du nicht zugehört? Wir sollen seinen Lohn nehmen und ihn unter den Bedürftigen verteilen.« »Aber das ist verrückt!«
»Und? Was willst du denn tun?«, frage ich. »Wie lange arbeitest du schon für den Mob? Willst du mir ernsthaft erzählen, du hättest nicht schon früher Anweisungen von irgendeinem Verrückten bekommen?«
»Komm schon, Guido«, sagt Nunzio. »Wir reden immerhin über Skeeve. Nicht über irgendeinen auf Macht versessenen Möchtegernboss im Mob.«
Das ist wahrhaftig ein deutlicher Hinweis darauf, wie aufgebracht mein Vetter ist. In all den Jahren, in denen wir zusammengearbeitet haben, ist dies das erste Mal, dass er seine professionelle Haltung weit genug fallen lässt, unseren direkten Vorgesetzten bei seinem richtigen Namen zu nennen, statt einfach den Gattungsnamen ›Boss‹ auf ihn anzuwenden. Das bedeutet, dass er Skeeve gern genug hat, die emotionale Distanz zu
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