Den letzten beissen die WerWölfe
dort agierte er in der europäischen Neonazi-Szene und organisierte die deutsche Wiking-Jugend über Strohmänner in Deutschland. Bei uns taucht sein Name seit 1995 nicht mehr auf, auch nicht als NPD-Mitglied.«
»War das alles?«, spottete Zimmermann und fuhr auf den Parkplatz bei Fringshaus, da er sich doch auf ein längeres Gespräch mit seinem Kollegen einstellte.
»Nein, nein, nicht so schnell, mein junger Freund. Unsere Datei unterscheidet da. Jetzt kommen wir zu unseren Erkenntnissen während des Zweiten Weltkrieges.«
Wieder hörte Zimmermann den Kollegen grummelnd lesen, unterbrochen von einem mehrmaligen »Oh ha«. Dann fasste Werner zusammen:
»Also Günther Feldhofer gehörte 1945 zu einem sechsköpfigen Werwolf-Kommando, …«
»Ach, du Scheiße, da war der doch noch ein Kind«, entfuhr es dem Kommissar.
»… das von Heinrich Himmler persönlich, der war damals Innenminister, …«
»Die Sau kenn sogar ich«, warf Zimmermann ein.
»… in die von den Amerikanern befreiten Westgebiete geschickt wurde, um hier Racheakte an Politikern zu verüben, die mit den Amerikanern zusammenarbeiteten und nach Himmler ›Hochverräter‹ waren. Am 25.März 1945 ermordete das Kommando den damaligen Aachener Oberbürgermeister Franz Oppenhoff, der am 31. Oktober 1944 von den Amerikanern eingesetzt worden war.«
»Moment«, unterbrach Zimmermann und blätterte in seinem Moleskine-Notizbuch. »Seit dem 4. Oktober 1944 bis zum Mai 1945 war damals Fritz Rumbach Bürgermeister in Roetgen – also sogar schon etwas früher. Hatten die Werwölfe es auf den auch abgesehen?«
»Davon gehe ich nach dem Himmler-Befehl einmal aus«, bekräftigte Kurt Werner, »auch wenn das hier nicht erwähnt ist.«
Gottfried Zimmermann hakte noch einmal nach:
»Und Günther Feldhofer, oh Gott, ich kann mich nur wiederholen, der war damals erst 14, gehörte tatsächlich zu diesem Kommando?«
»Moment, ich lese mich mal weiter ein«, erwiderte Werner. Wieder war ein Grummeln und Brummen zu hören, ehe der Staatsschützer zusammenfasste:
»Ja, tatsächlich, der war als 14-jähriges HJ-Mitglied dabei, zusammen mit einer 16-jährigen Führerin vom »Bund Deutscher Mädel«.«
»Ich könnte kotzen«, wetterte Zimmermann. »Sind die denn gefasst und verurteilt worden? Ich kenne mich nicht so gut in der Aachener Geschichte aus.«
»Doch, doch, das weiß ich, die wurden alle vom britischen Geheimdienst gefasst und vor ein deutsches Gericht gestellt. Hier haben wir auch einen Hinweis im Computer. Also: Im Oktober 1949 fand der Werwolf-Prozess, ›Werwolf Trial‹, statt. Drei Beteiligte wurden zu Haftstrafen zwischen einem und vier Jahren verurteilt.«
»Was?«, schrie Zimmermann. »Mehr nicht? Das bekommt man heute doch schon für …«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Kurt Werner, »wofür man das heute schon bekommt.«
»Sie sagten, drei wurden verurteilt. Und die anderen?«, fragte der Eifeler Kommissar.
»Der wahrscheinliche Mörder und Todesschütze von Oppenhoff, ein Österreicher namens Sepp Leitgeb, ist bei der Flucht in der Eifel auf eine Mine getreten und umgekommen.«
»Die Eifel kann also auch für etwas von Nutzen sein«, warf der Monschauer Beamte ein. »Bleiben immer noch zwei.«
»Ja, steht hier auch: Der 14-jährige HJ-Angehörige und die 16-jährige BDM-Führerin wurden freigesprochen, weil sie wohl nur als Ortskundige die vier Männer geführt hatten.«
»Und der 14-jährige HJ-Knabe war und ist Günther Feldhofer«, resümierte Zimmermann.
»Genau«, fasste Kurt Werner mit einem Wort zusammen und schob dann noch nach:
»Nur als Info: Nach zwei Berufungs-Verfahren wurden alle Haftstrafen wegen ›Befehlsnotstand‹ ganz erlassen.«
»Ich gehe jetzt kotzen«, entfuhr es Zimmermann. »Haben Sie die Adresse von Feldhofer in Lammersdorf?«
»Klar, alte Kunden haben wir doch immer noch unter Beobachtung: An der Vennhecke 24 in Simmerath-Lammersdorf.«
»Noch ne Frage: Halten Sie es für möglich, das Feldhofer seinen ganz persönlichen Himmler-Befehl erst jetzt ausgeführt hat?«
Zimmermann hörte, wie Kurt Werner kräftig Luft ausblies:
»Was weiß ich, nach all den Jahren bei der Kripo ist es mir immer noch nicht gelungen, in die Gehirne all der Vollidioten da draußen zu gucken.«
»Den Letzten beißen die Werwölfe«, beendete Gottfried Zimmermann das Gespräch.
***
09.15 Uhr
Incitatus fuhr unter der Decke in Nusseleins Bett hoch, da vor dem Wohnwagen ein heftiges Gezänk zu hören war. Mit einem Satz war
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