Den letzten beissen die WerWölfe
er bei der Katzenklappe und stürmte nach draußen. Zu spät! Er sah gerade noch, wie sich zwei große Vögel mit schwarz-weißem Gefieder und auffallend langen Schwänzen in die Lüfte erhoben. Incitatus fluchte: »Elstern!!«.
Da wir nicht wissen, ob Katzen generell über ein angeborenes kleines Latinum verfügen, würde die Behauptung, er habe »Pica pica« geflucht, hier doch etwas zu weit gehen.
***
10.30 Uhr
Charly Nusselein war pünktlich am Grabbeltisch bei Aldi in Imgenbroich. Recht auffällig betrachtete er eine Unterwäschekollektion. Der Name des Designerlogos »Dolche und Albaner« kam ihm irgendwie bekannt vor. Bevor er den Gedanken aber vertiefen konnte, hüstelte neben ihm ein Mann und winkte mit Bettwäsche, auf der tatsächlich eine englische Telefonzelle zu erkennen war. Das schottische Herz des Journalisten jubelte, gibt es doch wenigstens bei den Telefonzellen keinen Unterschied zwischen Engländern und Schotten.
Nusselein schätzte den Mann auf Ende sechzig, Anfang siebzig. Der Unbekannte schob sich unauffällig neben den Journalisten, während dieser noch immer auf »Dolche und Albaner« stierte. Der unbekannte Anrufer stand jetzt ganz nahe bei ihm und schmiss die Telefonzellen-Bettwäsche achtlos auf den Grabbeltisch zurück. Da es das letzte Paket war, griff Nusselein kurzerhand zu. Er hatte schon immer einmal in einer englischen Telefonzelle schlafen wollen. Der unbekannte Anrufer machte ein geheimnisvolles Gesicht:
»Mein Name spielt keine Rolle. Ich habe mich hier bei Aldi mit Ihnen verabredet, weil mich hier keiner kennt …«
»Tach Horst, lange nicht mehr gesehen«, jubelte ein freundlicher Rentner mit einem Einkaufswagen, in dem sich fünf Flaschen »Grappa Cavone« zu 4,99 Euro die 0,5-l-Flasche befanden. Der Grappa-Freund schlug dem Unbekannten auf die Schulter:
»Hab dich schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen!«
Der Unbekannte grüßte mit einem kurzen Nicken und ging nicht weiter auf den Vorfall ein:
»Also, ich darf in dieser Sache niemals auftauchen, weil die Kräfte von damals … man weiß es nicht. Deshalb dieses Treffen an einem geheimen Ort.«
»Da leck mich doch am Arsch, der Horst!«, schrie eine korpulente Eifelerin, die offensichtlich eine Affinität zu dem Spaghetti-Gericht »Quattro formaggi – mit Sauce aus 4 Käsesorten« besaß, »sieht man dich auch noch mal! Ja, ja, das waren jecke Zeiten damals!«
Sprachs und schob ihre fünfzehn Spaghetti-Packungen gen Kasse.
»Wissen Sie was?, sagte Nusselein. »Ich darf doch Horst zu Ihnen sagen?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Nur so«, bekräftigte der Journalist, »ist mir einfach so eingefallen. Wir gehen jetzt rüber in das kleine Café, dann trinken wir einen Kaffee und dann erzählen Sie mir alles. Ich muss nur noch schnell die Bettwäsche bezahlen.«
»In so was wollen Sie schlafen?«, erwiderte der Unbekannte, von dem sich der Vorname »Horst« herauskristallisierte.
»Für meinen Neffen«, log der Journalist.
Im »Coffeetime & more« bestellte Nusselein »Zwei ganz normale Kaffee«, da er davon ausging, dass diese seinen Spesenetat belasten würden. Anschließend eröffnete er das Gespräch:
»Also Horst, ich bleibe einfach bei diesem Namen, dann schießen Sie mal los.«
Horst nickte, während er zwei Tütchen Zucker, die auf dem Unterteller einer noch nicht abgeräumten Kaffeetasse lagen, schnell in seiner Jackentasche verschwinden ließ:
»Ich sage es schnack heraus: Der Rumbach hatte zeitlebens, wenigstens nach den Nazis, da kann man ihm nix vorwerfen, immer Dreck am Stecken. Schon 1948 hatte der ein Geschäft in Roetgen und fuhr damals, tun Sie sich das mal weg, einen ›Opel Kapitän‹. Über die Theke, Einkaufswägelchen gab es damals ja noch nicht, konnten’se damals schon fast alles bei dem kaufen, aber interessant wurde es unter der Theke. Kaffee sowieso, Zigaretten, Tee, eben das ganze Zeug, was es damals bei uns nur teuer gab, in Belgien aber billig.«
»Sie wollen damit sagen, Horst«, unterbrach Nusselein, »dass Rumbach ein Schmuggler war?«
»Der doch nicht«, platzte es aus Horst heraus. »Dazu war der doch viel zu feige und sich viel zu fein. Der hat seinen Fuß nie nach Belgien rüber gesetzt, dafür hatte der seine Jungs, und auch Mädchen, die für ihn liefen. Ich bin übrigens auch ein paar Mal für den gelaufen. Man nannte ihn den Schmugglerkönig.«
»Aber das sind doch olle Kamellen«, unterbrach Nusselein erneut. »Jedes Dorf in der Eifel hatte doch damals so
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