Den Löwen Zum Frass
Jahreszeit, aber ich sah Weinblätter, sowohl gefüllte als auch in Bündeln aufgehängte zum Selberfüllen. Metzger, die mit primitiven Darstellungen von Kühen, Schweinen, Kamelen und Ziegen warben, schärften ihre Messer an löwenfüßi- gen Steinbänken in der Ecke der Maße und Gewichte, während die Inspektoren für Maße und Gewichte sich die Hälse bei einem hitzigen, auf dem Boden eingeritzten Damespiel verrenkten.
Zwei Straßen weiter hatte ein anderer Millionär aus Leptis ein weiteres Handelshaus erbaut, das der Venus von Chalkis geweiht war. Hier wurden offenbar umfangreiche Exportverträge von finster aussehenden, zahnlosen, lederhäutigen alten Vermittlern ausgehandelt, die keine Zeit zum Essen und keine Lust zum Rasieren hatten. Zweifellos liefen hier die großen Geschäfte mit Olivenöl, Fischsoße, in Massenproduktion hergestellten Töpferwaren und wilden Bestien, dazu die Exotika der Nomadenkarawanen: ganze Ladungen von Elfenbein, Negersklaven, Edelsteinen, seltenen Vögeln und wilden Tieren.
Ich fand einen Bankier, der bereit war, meinen Kreditbrief einzulösen. Kaum hatte ich das Geld in Empfang genommen, versuchte ein Anreißer, mir einen Elefanten zu verhökern.
Da man mir die ausländische Herkunft ansah, wurde ich von hilfsbereiten Einheimischen gefragt, ob man mir ein Bordell empfehlen solle. Ich lehnte lächelnd ab. Einer ging sogar so weit, mir seine eigene Schwester als sauber, willig und verfügbar anzubieten.
Ich kehrte zum Marktplatz zurück. Dort fand ich eine Säule, auf der noch Platz war, und brachte folgende Inschrift an: R OMANUS : S UCHE F ALCO IM H AUS DES R UTILIUS AUF .
Wenn man so klingt, als würde man Leute kennen, glauben sie es manchmal sogar. Außerdem hatte ich inzwischen das beunruhigende Gefühl, dass Romanus in der Tat ein alter Bekannter sein musste. Kein angenehmer Gedanke!
Ich ging in ein Badehaus, um die örtliche Atmosphäre zu testen. Ich ließ mich rasieren, was nicht besser ausfiel als anderswo im Imperium. Das Theater war ebenfalls ein Vermächtnis von Tapepius Ru- fus, wiederum sehr geschmackvoll im Stil und mit einem fantastischen Ausblick zum Meer. Ich sah mir das Programm an - nichts Aufregendes. Es lohnte sich auch nicht, denn der große Anziehungspunkt in Leptis waren die kurz bevorstehenden Spiele zur Beendigung der Ernte in der Arena außerhalb der Stadt. Für diese Spiele wurde mit dem so beliebten »noch bekannt zu gebenden« Programm geworben. Allerdings fiel mir auf, dass als Schirmherr der zu Besuch weilende römische Würdenträger Rutilius Gallicus genannt wurde. Ich fragte mich, ob ihm das schon jemand gesagt hatte.
Für einen ersten Erkundungsgang reichte es mir inzwischen. Es war Zeit, mich wieder meiner Familie zu widmen, bevor es sie zu sehr nervte, höflich zu dem Gesandten zu sein, während ich mich amüsierte.
Ich folgte Rutilius' Wegbeschreibung zu der großzügigen Villa am Meer, die ihm eine hoch stehende einheimische Persönlichkeit zur Verfügung gestellt hatte (zweifellos in der Hoffnung, einen Vorteil für Leptis rauszuschlagen, wenn der Landvermesser die Grenzziehungen vornahm). Hier schienen wir in Sicherheit zu sein. Falls es Schwierigkeiten wegen seines Berichts geben sollte, hatte man Rutilius einen Trupp militärischer Leibwächter besorgt, und außerdem hatte er seine eigenen Dienstboten mitgebracht.
Jetzt brauchte er zum Wohlbefinden nur noch ein paar politisch neutrale Hausgäste, mit denen er sich unterhalten konnte, und die lieferten wir ihm.
Ich sagte ihm, dass er bei den Spielen mit der weißen Serviette winken müsse; er stöhnte.
In den nächsten Tagen verbrachte ich meine Zeit damit, die drei Lanistae aufzuspüren, denen ich auf den Fersen war. Bei Saturninus war das nicht schwer. Schließlich lebte er hier. Rutilius gab mir seine Adresse, und ich fand das Haus ohne weiteres. Saturninus tauchte gleich am ersten Tag meiner Überwachung des Hauses auf. Für mich war es ein Schock, über das mit Delfinen angefüllte Mittelmeer gesegelt zu sein und einen Verdächtigen zu überprüfen, dem ich Monate zuvor in Rom begegnet war.
Er sah unverändert aus, klein, muskulös, mit gebrochener Nase, kahlköpfig, selbstsicher, urban, hatte sich aber ganz dem Stil seiner Heimatprovinz angepasst und trug lockere Nomadenkleidung in leuchtenden Farben. Und er war in einem Maße beringt, dass ich sofort strengstes römisches Misstrauen empfand. Aber seine unternehmerische Haltung hatte mich stets abgestoßen. Er war
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