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Den Löwen Zum Frass

Den Löwen Zum Frass

Titel: Den Löwen Zum Frass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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als ein bewaffneter Wächter den Verbrecher hereinzerrte.
    Seine Verbrechen wurden aufgelistet, allerdings ohne die Nennung seines Namens - vorausgesetzt, jemand hatte sich überhaupt die Mühe gemacht herauszufinden, wer dieser schwadronierende Ausländer war. Er war kahl geschoren und dreckig. Der Mann war letzte Nacht zweifellos im Gefängnis verprügelt worden. Er hing schlaff in den Armen seiner Wächter, entweder bewusstlos von den Schlägen oder immer noch betrunken. Vielleicht beides.
    »Der bekommt überhaupt nichts mit. Was für eine Erleichterung.«
    Ohne die zusammengesackte Gestalt näher zu betrachten, wandte ich mich Helena zu. Sie saß mit zusammengekniffenen Lippen, die Hände im Schoß, da und hatte die Augen niedergeschlagen. Ich hörte ein rollendes Geräusch, als die niedrige, auf Räder montierte Plattform hereingeschoben wurde. Der Gefangene, aller Kleider entblößt, wurde an einen Pfahl auf diesem Gefährt gebunden, das einen schienbeinhohen Schutz hatte, geformt wie das Vorderteil eines niedrigen Streitwagens. Jede Bewegung veranlasste die Menge zu neuen wütenden Äußerungen. Beruhigend legte ich meine Hand auf Helenas geballte Fäuste.
    »Es ist gleich vorbei«, murmelte Rutilius, besänftigte sie wie ein Arzt, während er gleichzeitig sein Lächeln für die Menge beibehielt.
    Der kleine Karren wurde in die Arena gerollt. Helfer schoben ihn mit langen Standen vorwärts. Aus dem Nichts tauchte der freigelassene Löwe auf. Ohne besondere Ermutigung zu brauchen, stürzte er auf den Mann am Pfahl zu. Helena schloss die Augen. Das Tier schien zu zögern. Durch das Brüllen der Menge wurde der Gefangene schließlich wach, hob den Kopf, sah den Löwen und schrie. Die hysterische Stimme erregte meine Aufmerksamkeit, klang sie doch schockierend vertraut.
    Eine Meeresbrise zerrte an dem Schleier einer der Statuen und ließ ihn beiseite flattern. Die Helfer schoben den Karren näher zum Löwen. Das Interesse des Löwen erhöhte sich. Einer der Wächter ließ die Peitsche knallen. Der Gefangene erblickte die Statue von Shadrapa und brüllte trotzig: »Zum Hades mit euren karthagischen Göttern, und zum Hades mit dem verdammten einäugigen Hannibal!«
    Der Löwe sprang ihn an.
    Ich war von meinem Sitz hochgeschnellt. Jetzt erkannte ich seine Stimme, seine aventinische Aussprache, die Form seines Kopfes, seine Dämlichkeit, seine irrsinnigen Vorurteile, alles.
    Es gab nichts, was ich tun konnte. Ich hätte ihn nie erreicht. Er war zu weit weg. Eine dreizehn Fuß hohe, glatte Marmorbarriere hielt die wilden Bestien davon ab, sich auf das Publikum zu stürzen, und verhinderte, dass Zuschauer in die Arena sprangen. Alle hatten sich erhoben und klatschten Beifall, äußerten lautstark ihre Wut über die Blasphemie und ihre Zustimmung zu der Hinrichtung. Sekunden später riss der Löwe den Mann in Stücke. Ich sank auf den Sitz zurück und verbarg den Kopf in den Händen.
    »O ihr Götter ... o nein, o nein!«
    »Falco?«
    »Das ist mein Schwager.«
    Famia war tot.
    Schuldgefühle und Grauen senkten sich bereits unerbittlich auf mich nieder, als ich mir den Weg hinter die Kulissen bahnte. Was von Famias blutiger Leiche übrig geblieben war, hatte man aus der Arena geschleift, immer noch auf dem Karren angebunden. Der gesättigte Löwe war mit der üblichen Geschicklichkeit eingefangen worden, die Lefzen noch rot vor Blut, befand er sich wieder in seinem Käfig und sollte rasch durch den gewölbten Tunnel weggebracht werden.
    Nach einer Hinrichtung wurden die Bestien sehr schnell aus dem Blick des Publikums entfernt. Ich hörte jemanden lachen. Die Angestellten des Amphitheaters waren in guter Stimmung.
    Würgend erhob ich familiären Anspruch auf die Leiche, obwohl es wenig für ein Begräbnis zu kremieren gab.
    Rutilius hatte mich gebeten, vorsichtig mit dem zu sein, was ich sagte. Seine Besorgnis war unnötig. Famias abscheulicher Aufschrei hallte mir noch in den Ohren. Ich würde hier tun, was sich für meine
    Familie zu Hause gehörte, obwohl mir das wahrscheinlich keiner danken würde. Ich hatte nicht den Wunsch, den erhobenen Beleidigungen weitere hinzuzufügen.
    Wie sollte ich das jemals Maia - meiner Lieblingsschwester - und ihren netten, wohlerzogenen Kindern erklären? Marius, der Rhetoriklehrer werden wollte. Ancus mit den großen Ohren und dem scheuen Lächeln. Rhea, der Hübschen, Lustigen.
    Der kleinen Cloelia, die ihren Vater nie als das erkannt hatte, was er war, und ihn hartnäckig

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