Den Löwen Zum Frass
werden.«
Das Prickeln, das ich den ganzen Tag gespürt hatte, verstärkte sich. »Zum Hades! Das könnte zu einer Situation führen, in der das Amphitheater explodiert!«
»Das Beste hast du noch gar nicht gehört. Das wird dich interessieren, Marcus. Mit dem Kampf soll ein Rechtsstreit beendet werden. Die Sache hat einen ungewöhnlichen Dreh. Sie haben sich darauf geeinigt, dass der Lanista, dessen Mann am Schluss noch am Leben ist, einer gewissen Scilla Schadenersatz aus einem Verfahren zahlt, das sie gegen alle drei angestrengt hat.«
»Io! Das bedeutet doch wohl, dass sie alle verlieren wollen, oder?«
Justinus lachte. »Man nimmt an, dass alle drei total hoffnungslose Idioten aufstellen und sich das Ganze in eine Komödie verwandelt. Die Kämpfer werden nicht sterben wollen, aber diesmal werden ihre Lanistae versuchen sie zum Aufgeben zu überreden.«
»Na bravo!«
»Nach dem, was ich auf dem Marktplatz vernommen habe, besteht ein merkwürdiges Interesse an den Todgeweihten.«
»Haben sie Namen?«, kam mir Rutilius zuvor.
»Ich habe keinen gehört. Alle möglichen Gerüchte machen die Runde. Monstrositäten mit zwei Köpfen stehen besonders hoch im Kurs. Faszinierend, was?«
»Klingt so, als würde es das Interesse ankurbeln«, meinte ich.
»Das ist bereits sehr hoch«, bestätigte Justinus. »Hohe Wetten werden abgeschlossen, sogar ganz offen.«
»So ist das also«, sagte ich zu niemand Besonderem, aber meine beiden Begleiter schienen genau zu wissen, was ich meinte.
Irgendwo in Leptis ließen in dieser Nacht die Tierpfleger einen Löwen hungern.
Irgendwo genossen auch Gladiatoren von unterschiedlicher Qualität das traditionell üppige Mahl vor dem Kampf. Das war ihr Vorrecht und konnte ihr Fluch sein. Oft gab es am nächsten Tag den Ausschlag. Sie waren der Versuchung erlegen, so viel wie möglich in sich hineinzustopfen, weil es ihre letzte Chance sein konnte. Aber wenn sie sich überfraßen, rächte sich das in der Arena.
Auf dem Weg zurück durch die Stadt unternahmen Justinus und ich den vergeblichen Versuch, in die größte örtliche Gladiatorenschule zu kommen - die von Saturninus -, um die Männer bei ihrem Festessen zu beobachten. Der Öffentlichkeit wurde der Zutritt verwehrt. Wir hielten es für das Beste, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Außerdem dachte ich mir, dass die Spezialkämpfer an einem geheimen Ort untergebracht waren.
Ich hatte eine unruhige Nacht. Um Helena Sorgen zu ersparen, tat ich so, als würde ich friedlich schlafen. Die ganze Zeit wirbelten mir Gedanken durch den Kopf. Was auch immer passieren würde, ich war mir verdammt sicher, dass die drei Lanistae keinen fairen Kampf geplant hatten. Jeder würde mit seinen eigenen finsteren Plänen an die Sache herangehen.
Von der Loge des Schirmherrn aus war es unmöglich, in einem Notfall einzugreifen. Justinus und ich hatten uns den Kopf darüber zerbrochen, wie wir dieses Hindernis überwinden sollten. Der einzig sinnvolle Platz würde draußen in der Arena sein, aber ich hatte Helena versprochen, mich unter keinen Umständen in die Kämpfe einzumischen.
Heißes Sonnenlicht ergoss sich von der ersten Stunde an in die Arena. Langsam erwärmten sich die Steinsitze und der weiße Sand auf dem Arenaboden. Als das Publikum hineinzuströmen begann, konnte man das Meer nicht mehr hören, aber es nach wie vor in der salzigen Luft riechen, die unsere Gesichter austrocknete und unser Haar steif und strähnig machte.
Justinus und ich waren früh aufgebrochen. Rutilius würde viel später erscheinen, in zeremonieller Weise. Wir dachten, wir seien die Ersten, doch andere waren uns zuvorgekommen.
Noch wirkte alles recht entspannt. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt war die Feststimmung nicht ganz ungetrübt wegen der Anwesenheit der Gruppen aus Oea und Sabratha.
Der Eintritt war frei, doch es wurden Eintrittsmarken ausgegeben für die Plätze auf den verschiedenen Rängen und Sitzreihen. Kissen für die Plätze in der ersten Reihe wurden von Maultieren geladen. Rauch stieg langsam von den Feuern am Strand auf,
über dem Imbissverkäufer leckere Kleinigkeiten brieten. Weinschläuche und Amphoren waren in großer Menge angeliefert worden. Alle Verkäufer hofften auf einen gewinnbringenden Tag.
Leute vom Land, angezogen durch das Ereignis und die Möglichkeit, ihre Produkte und handgefertigten Erzeugnisse zu verkaufen, waren auf Pferden und gelegentlich sogar Kamelen gekommen und kampierten am Strand. Einige hatte lange dunkle
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