Den Löwen Zum Frass
er ja wohl. Sie haben es heute Morgen gesehen. Die Tür war abgeschlossen.«
Ich lachte. »Ältester Trick der Welt. >Die Leiche befand sich in einem verschlossenen Raum. Niemand hätte da eindringen können.< Für gewöhnlich soll es wie Selbstmord aussehen. Erzähl mir bloß nicht, dass der Löwe sich selbst umgebracht hat!«
»Dafür gab's keinen Grund«, witzelte der Pfleger düster. »Leonidas hatte ein gutes Leben. Er hatte mich für das Futter und zur ständigen Unterhaltung
- und alle paar Monate haben wir ihm Bänder in die Mähne geflochten und ihn mit echtem Goldstaub besprenkelt, damit er hübsch aussah, wenn er hinter den Verbrechern herjagte.«
»Er war also nicht deprimiert?«
»Natürlich war er das!«, blaffte der Pfleger, plötzlich in aggressiver Stimmung. »Er hatte angefangen ständig im Käfig auf und ab zu laufen, Falco. Er wollte wieder in Afrika hinter den Gazellen herjagen und Löwinnen zur Verfügung haben. Alle Löwen sind in der Lage, Einsiedler zu sein, wenn sie müssen - aber lieber ist es ihnen, wenn sie ordentlich rumbumsen können.«
»Er war gereizt, und du mochtest ihn sehr gern. Hast du ihn von seinem Leiden erlöst?«, fragte ich streng.
»Nein.« Buxus klang jämmerlich. »Er war nur ruhelos, aber da hab ich schon Schlimmeres gesehen. Ich werde das alte Viech vermissen. Ich wollte ihn nicht verlieren.«
»Schon gut. Tja, bleibt uns also das Rätsel. Ein verschlossener Käfig ist allerdings kein verschlossenes Zimmer; er ist zugänglich. Könnte ihn jemand durch die Gitterstäbe aufgespießt haben?«
Buxus schüttelte den Kopf. »Nicht so ohne weiteres.«
Ich war inzwischen vor den Käfig getreten und probierte den langen Speer aus. »Nein, hier ist nicht genug Platz.« Da ich kaum ausholen konnte, war es ein kurzer, unbeholfener Wurf. »Jemand müsste schon sehr geübt sein, um den Speer durch die Stäbe zu schleudern. Die Bestiarii sind gut, doch sie jagen nicht in geschlossenen Räumen. Der Täter könnte ihn einfach durchbohrt haben .«
»Leonidas wäre dem Speer ausgewichen, Falco. Und er hätte gebrüllt. Ich war direkt nebenan. Ich hätte ihn gehört.«
»Ein gutes Argument. Außerdem wurde der Speer nicht geworfen, sondern als Stoßwaffe benutzt. Von nahem, aber mit genug Bewegungsspielraum.« Ich kniete mich neben den Kadaver und überprüfte ihn noch mal. Weitere Wunden gab es nicht. Der Löwe war eindeutig mit einem einzigen kräftigen Stoß erledigt worden, der das Tier von vorne durchbohrte. Außerordentlich professionell. Das musste verdammt gefährlich gewesen sein. Es konnte nur mit einem schweren Speer gelingen, und sich des Ansturms des Löwen zu erwehren, hatte Mut und Kraft erfordert. Leonidas, nahm ich an, war sofort umgefallen, genau an der Stelle, an der er getötet worden war.
»Vielleicht hat er ihn vorne im Käfig erwischt, der Speer brach ab, und der Löwe ist weggekrochen.« Buxus fehlte meine Erfahrung, den Vorgang zu durchdenken. Außerdem hatte er die Angewohnheit des Sklaven, sich selbst zu widersprechen - es sei denn, er versuchte absichtlich, mich zu verwirren.
»Wir haben doch schon festgestellt, dass er nicht durch die Gitterstäbe getötet werden konnte.« Trotzdem, um alle Möglichkeiten abzudecken, führte ich Buxus zum Eingang des Käfigs und untersuchte das Stroh. »Schau - kein Blut. Du hast heute noch nicht ausgemistet, oder? Wenn er noch gelebt hätte und gekrochen wäre, hätte er geblutet.« Ich ging mit dem Pfleger zurück zu dem toten Löwen, packte das Tier an den riesigen Pranken und zerrte es mit Mühe zur Seite, um das Stroh unter seinem Bauch zu untersuchen. Buxus half mir dabei. »Ein bisschen Blut, aber nicht genug.«
»Was heißt das, Falco?«
»Er wurde nicht durch die Gitterstäbe getötet, und ich bezweifle, dass jemand im Käfig war. Viel zu riskant und nicht genug Platz, einen Speer zu schwingen.«
»Und was ist dann mit Leonidas passiert?«
»Er wurde woanders getötet. Sein Kadaver wurde hier reingebracht, nachdem er tot war.«
»Wenn man Leonidas woanders hingebracht hat, sollten wir nach den Spuren suchen.«
»Niemand hätte ihn von hier wegbringen können, Falco!«
»Aber es schadet nichts nachzusehen.«
Buxus wirkte jetzt nervös, als wäre ihm wieder eingefallen, dass er mich auf Calliopus' Anweisung in die Irre führen sollte. Ich musste rasch nach Beweisen suchen, bevor ein Sklave mit einem Besen kam und die Spuren zufällig oder absichtlich wegfegte.
Draußen auf dem Kampfplatz hatten
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