Den Löwen Zum Frass
ärgern, aber es ist die Pflicht eines guten Römers, sich zu Hause denen zur Verfügung zu stellen, die vor einem katzbuckeln wollen. Natürlich lag mir daran, dass meine Tochter in Würdigung der gesellschaftlichen Bräuche aufwuchs, die in unserer großartigen Stadt seit republikanischen Zeiten Usus waren. Andererseits, da Julia Junilla kaum älter als ein halbes Jahr war, hatte sie momentan nichts anderes im Sinn, als ihre Krabbelkünste auszuprobieren, so schnell wie möglich zur Vorderveranda zu krabbeln und sich auf die zehn Fuß tiefer gelegene Straße zu stürzen. Ich riss sie hoch, als sie gerade den Rand erreichte, ließ mich von ihrem plötzlichen strahlenden Wiedererkennungslächeln becircen und ging hinein, um dem Rest zu sagen, sie könnten jetzt verschwinden.
Was, wie gewöhnlich, zu nichts führte.
Meine Schwester Maia, die mit Helena auf freundschaftlichem Fuß verkehrte, war zu Besuch gekom-
men. Bei meinem Eintritt stöhnte sie laut auf, grapschte sich ihren Mantel und stürmte an mir vorbei, womit sie durchblicken ließ, dass meine Ankunft die fröhliche Atmosphäre zerstört hätte. Maia hatte eine Familie, also musste sie auch etwas zu tun haben. Ich mochte sie, und ihr gelang es meist, so zu tun, als könnte sie mich gerade noch ertragen. Als sie sich an mir vorbeidrängte, entdeckte ich hinter ihr eine kleine, düster blickende Gestalt, bekleidet mit fünf Schichten langer wollener Tuniken, die mich mit einem Blick wie die Medusa betrachtete, bevor sie Passanten in Stein verwandelte: unsere Mama. Wahrscheinlich in Begleitung von Anacrites.
Helena, in deren Gesicht sich noch Panik abzeichnete, weil ihr Julia schon wieder entwischt war, bemerkte, dass ich unser Kind inzwischen gerettet hatte. Während sie sich noch von dem Schock erholte, machte sie eine schneidende Bemerkung über Cato den Älteren, der immer rechtzeitig vom Senat nach Hause kam, um beim Baden des Babys zuzuschauen. Ich gratulierte mir dazu, mir eine Frau geangelt zu haben, die mich mit literarischen Anspielungen zur Schnecke machen konnte, statt irgend so einen hirnlosen Hefekloß mit großem Busen und keinem Sinn für historische Nettigkeiten. Dann sagte ich, dass ich, falls ich es jemals zu einem Senatssitz bringen sollte, selbstverständlich Catos erstklassigem Beispiel folgen würde, aber solange ich mich noch auf der raueren Seite der Via Sacra befände, müsse ich leider meine Zeit damit verbringen, Geld zu verdienen.
»Da du gerade vom Geldverdienen sprichst«, mischte meine Mutter sich ein, »ich bin froh, dass du endlich mit Anacrites zusammenarbeitest. Er ist genau der Richtige, um dir den Kopf zurechtzusetzen.«
»Anacrites' Talent ist unvergleichlich, Mama.« Er war ein Aaskäfer, aber ich wollte mein Abendessen, keinen Streit. Er war schon immer ein Aaskäfer gewesen, und jetzt verpestete er auch noch mein häusliches Leben. Ja, er saß sogar auf meinem Lieblingshocker. Aber nicht mehr lange, schwor ich mir. »Was machst du hier, Partner? Du siehst aus wie ein rotznäsiges Kleinkind, das man den ganzen Tag bei seinem Tantchen abgestellt hat und das jetzt darauf warten muss, dass Mama es heimholt.«
»Ich hab dich irgendwo verloren, Falco.«
»Stimmt. Du hast mich entwischen lassen.« Ich grinste, machte zu seinem Verdruss einen Witz daraus.
»Wir haben gerade darüber gesprochen, wo du wohl abgeblieben bist.« Mama funkelte mich wütend an. »Anacrites hat uns gesagt, dass ihr mit eurer Arbeit fertig wart.« Sie war offensichtlich davon überzeugt, dass ich ihn abgehängt hatte, um Zeit und Geld in einer Weinschenke zu verplempern, hatte aber wenigstens genug Taktgefühl, das nicht vor Helena zu äußern. Allerdings war Helena durchaus in der Lage, zu demselben Schluss zu kommen und einen heiligen Schwur am Altar des Zeus in Olympia zu verlangen (ja, einschließlich der ganzen Reise nach Griechenland und zurück), bevor sie ihre Meinung ändern würde.
»Wenn Anacrites das sagt, war er davon bestimmt überzeugt.« Immer noch mit dem Baby auf dem Arm, wedelte ich unbekümmert mit der Hand. »Da gab es noch eine Kleinigkeit, die ich untersuchen wollte.«
»Oh!« Da er mich stets verdächtigte, Geheimnisse vor ihm zu haben, wurde Anacrites sofort wachsam. »Was war das denn, Falco?«
Ich sah mich im Zimmer um, tippte mir an die Nase und flüsterte: »Staatsangelegenheiten. Sag ich dir morgen.« Er wusste, dass ich das nicht vorhatte.
»Hier brauchst du keine Geheimnisse zu haben«, spottete meine
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