Den Löwen Zum Frass
sie ruhig zu und machte auch, wie erwartet, keine Anstalten, mich gönnerhaft zu behandeln. Sie meinte nur, ich sei ein Idiot, und bei näherem Nachdenken stimmte ich ihr zu.
»Können wir jetzt essen?«
»Später«, sagte sie entschieden. »Erst wirst du ein guter Römer sein, wie Cato der Ältere, und zusehen, wie das Baby gebadet wird.«
Wir besaßen keine eigene Wasserleitung. Wie die meisten Römer lebten wir in einer Wohnung, die um die Ecke vom Brunnen in der nächsten Straße lag. Für unsere täglichen Waschungen benutzten wir die öffentlichen Bäder. Davon gab es viele, es ging dort gesellig zu, und oft waren die Bäder kostenlos. In den luxuriöseren Gegenden des Aventin standen große Villen mit privaten Badehäusern, aber dort, wo wir wohnten, mussten wir lange Wege mit Stri- gilis und Ölflasche auf uns nehmen. Unsere Straße hieß Brunnenpromenade, doch das war nur ein Verwaltungswitz.
Auf der anderen Straßenseite, in der riesigen düsteren Mietskaserne, in der ich früher gewohnt hatte, befand sich Lenias Wäscherei, die über einen tiefen, ziemlich unzuverlässigen Brunnen verfügte. Für gewöhnlich lieferte er selbst im Winter schlammiges Wasser, und im Hinterhof standen immer große Kessel über dem Feuer. Weil ich Lenia bei ihrer Scheidung helfen sollte, durfte ich mir das übrig gebliebene warme Wasser holen, wenn die Wäscherei
für die Nacht geschlossen wurde. Lenia war jetzt ein ganzes Jahr verheiratet - wovon sie höchstens vierzehn Tage mit ihrem Gatten zusammengelebt hatte -, und nach den örtlichen Bräuchen war es höchste Zeit, dass sie den Kerl loswurde.
Lenia war mit Smaractus verheiratet, dem stinkigsten, habgierigsten, herzlosesten und degeneriertesten Vermieter des Aventin. Ihre Verbindung, von der sie alle Freunde seit Anfang an hatten abhalten wollen, war in der gegenseitigen Hoffnung zusammengeschustert worden, einander um ihren jeweiligen Besitz zu betrügen. Die Hochzeitsnacht hatte mit einem brennenden Ehebett geendet, dem Ehemann im Gefängnis wegen Brandstiftung, Lenia in hysterischen Weinkrämpfen und allen anderen völlig betrunken. Ein Ereignis, das man im Gedächtnis behalten sollte - wie die Hochzeitsgäste das unglückliche Paar immer wieder gern erinnerten. Das Paar dankte uns nicht dafür.
Ihr merkwürdiger Ehebeginn hätte jahrelang für nostalgische Geschichten sorgen sollen, die man sich fröhlich zu den Saturnalien am Feuer erzählte. Na ja, vielleicht nicht am Feuer, da das Abenteuer im brennenden Ehebett Smaractus einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte. An der Festtafel vielleicht, mit allen Lampendochten ordentlich beschnitten. Aber nach der Nacht, in der sie von den Vigiles gerettet wurden, waren sie in eine Hölle abgestiegen, aus der sie niemand retten konnte. Smaractus kam übellaunig aus dem Gefängnis zurück; Lenia gab vor, nie gewusst zu haben, dass er so gewalttätig und widerwärtig war; er warf ihr vor, das Bett absichtlich in Brand gesetzt zu haben, damit sie eine nicht unbeachtliche Erbschaft einstreichen konnte, wenn er starb; sie sagte, sie wünschte, sie hätte das getan, selbst wenn es keine Erbschaft gegeben hätte. Sma- ractus machte ein paar vergebliche Versuche, sich die Rechte an der Wäscherei unter den Nagel zu reißen (das einzige Besitzrecht, dessen habhaft zu werden er in unserem Bezirk versäumt hatte), dann klaute er, was er mitschleppen konnte, und floh zurück in seine eigene schmierige Wohnung. Jetzt wollten sie sich scheiden lassen. Seit zwölf Monaten redeten sie darüber, ohne Fortschritte zu machen, aber das war typisch für den Aventin.
Lenia war in ihrem Büro, wo schwarzer Winterschimmel, hervorgerufen durch den ständigen Dampf aus der Wäscherei, die Wände mit einer unheimlichen Patina überzogen hatte. Als sie uns hörte, kam sie zur Tür gewatschelt. Sie wirkte niedergeschlagen, was entweder bedeutete, dass sie noch nicht genug zur abendlichen Aufmunterung getrunken oder sich mit weit mehr als dem üblichen Maß vergiftet hatte. Ihr für gewöhnlich rotes Haar, gefärbt mit grellsten Substanzen, die den meisten Kosmetikhändlern unbekannt waren, baumelte in krausen Strähnen zu beiden Seiten ihres weißen, aufgequollenen Gesichtes.
Helena schlüpfte an mir vorbei, da sie das noch warme Wasser nutzen wollte, und ich stellte mich
Lenia mit einem gut platzierten verbalen Angriff in den Weg. »Hallo! Ich sehe, dass dein heißblütiger Liebhaber hier ist.«
»Wenn der Dreckskerl runter kommt, Falco,
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