Den Löwen Zum Frass
Balkon, der sich um diesen Teil des Gebäudes zog. Nux knurrte Anacrites noch mal kurz an, kam zu mir und setzte sich auf meine Füße. Während ich dastand und meinen schmerzenden Hals betastete, sah ich Buxus gegenüber aus den Stallungen treten, einen Strauß unter dem Arm. Ich hatte ihn das schon vorher tun sehen. Auf diese Weise ließen sich die Tiere am leichtesten transportieren - fest unter den Arm geklemmt, während man dem langen Hals und dem pickenden Schnabel auswich.
Bei diesem Strauß war es anders. Der große Vogel hatte all seine Neugier verloren. Seine Beine baumelten schlaff herab, genau wie die Flügel, und sein nackter Hals hing runter, so dass der kleine Kopf fast den Boden berührte. Ich sah sofort, dass das Tier tot war.
»Was ist los mit ihm, Buxus?«, rief ich hinunter.
Der Pfleger, der offensichtlich ein weiches Herz hatte, schien zu schniefen. »Irgendwas ist ihm nicht bekommen.«
Nux roch den Kadaver und rannte die Treppe runter, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen. Ich rief sie zurück; sie blieb stehen, drehte den Kopf zu mir um, verwirrt darüber, dass ich ihr den Spaß nehmen wollte. Ich folgte ihr auf den Hof.
Ein paar Bestiarii hatten mit Gewichten trainiert. Sie kamen dazu, um zu sehen, was los war. Alle betrachteten wir den toten Vogel. Es war das größte männliche Tier, beinahe acht Fuß groß, einst prächtig mit schwarzweißen Federn geschmückt, die jetzt nur noch für den Fächer einer Tänzerin taugten. »Armes Ding«, sagte ich. »Die Vögel sind verdammt lästig, wenn sie an einem rumpicken und die Tunika in Stücke reißen, aber es ist doch traurig, einen davon tot zu sehen. Bist du sicher, dass er nicht schon vorher unpässlich war? Vielleicht bekommt den Straußen der römische Winter nicht.«
»Vor einer Stunde hat ihm noch nichts gefehlt«, jammerte Buxus. Er legte seine Bürde auf den festgestampften Boden des Kampfplatzes, hockte sich auf die Fersen und verbarg den Kopf in den Händen. Ich packte Nux am Halsband, als sie sich auf den Vogel stürzen und ihn beuteln wollte. »Wer wird der Nächste sein?«, stöhnte der Pfleger gequält. »Das wird einfach zu viel .«
Die Bestiarii blickten einander an. Einige, die nichts damit zu tun haben wollten, schlurften davon. Einer klopfte Buxus fest auf die Schulter, als wollte er ihn zum Schweigen bringen. Nux unter den Arm geklemmt, ging ich in die Knie, um den Strauß zu untersuchen. Er hatte eindeutig aufgehört zu atmen, aber ich bin kein Ornithologe. Für mich war er einfach nur ein schlaffes Stück Geflügel.
»Was ist denn nun genau passiert?«, fragte ich leise.
Buxus hatte den Wink der anderen verstanden. Jetzt war seine Antwort neutral, genau wie neulich, als er mich von meinem Interesse an Leonidas abbringen wollte. »Er stand still, dann brach er einfach zusammen, lag in einem Haufen da und legte den Kopf auf den Boden, als wäre er eingeschlafen.«
Jemand hatte sich von hinten genähert. Ich sah mich um und erkannte Calliopus. Er schien gerade eingetroffen zu sein. Immer noch in seinem Straßenmantel, drängte er sich an mir vorbei, hob den Kopf des Vogels hoch, ließ ihn fallen und fluchte. Buxus hielt den Blick gesenkt, machte einen eingeschüchterten Eindruck.
»Dieser Drecksack!« Calliopus musste Saturninus meinen. In seiner Wut war es ihm offenbar egal, ob ich das mitbekam. Mit langen Schritten ging er zur Menagerie. Buxus sprang auf und folgte ihm. Die Bestiarii zögerten, aber ich blieb dem Pfleger eng auf den Fersen.
»Ich glaube, es war das Korn«, hörte ich Buxus murmeln. »Die neue Ladung. Da hab ich ihn rumpicken sehen. Bevor ich das dumme Viech wegscheuchen konnte, war es zu spät. Der Sack ist bei der Anlieferung aufgeplatzt ...«
Calliopus winkte ab, stapfte weiter an den Käfigen vorbei und in den hinteren Teil der Menagerie. Bora- go, der Bär, brummte wegen der Unruhe, und auch der neue Löwe Draco fauchte. Er war jetzt in dem Käfig untergebracht, in dem sein Vorgänger gestorben war, schlich herum, wirkte aber ruhiger, zweifellos besänftigt durch ein paar saftige Stücke von Leonidas.
Der zweite Raum mit dem Becken des Seelöwen war leer, nachdem Draco umgezogen war. Sogar der Adler saß nicht mehr auf seiner Stange. Hinter diesem Raum war ein kurzer Flur, der zu einer Futterkammer führte. Darin stand ein nicht allzu großer Kornbehälter - mit einem hölzernen Deckel drauf -, und auf dem Boden davor lag ein Hanfsack. Er war an einer Naht aufgeplatzt, aus der Korn
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