Den Löwen Zum Frass
herausquoll. Calliopus sah sich flüchtig um und griff dann nach einer Schöpfkelle. Er füllte sie mit Korn aus dem aufgeplatzten Sack und drängte sich an uns vorbei nach draußen. Buxus und ich trotteten wie Kinder beim Versteckspiel hinter ihm her. Auf dem Hof streute Calliopus das Korn auf den Boden. Er pfiff. »Beobachte die Tauben!«, befahl er. Ohne ein weiteres Wort zu Buxus marschierte er in Richtung Büro davon. Ich hätte genauso gut unsichtbar sein können.
Buxus sah zum Dach hinauf, wo dauernd ein oder zwei dürre Tauben rumgurrten und allen auf die Nerven gingen. Er hockte sich in den Schatten des Gebäudes und wartete, ob das fliegende Ungeziefer runterflattern und Selbstmord begehen würde. Mit Nux immer noch unter dem Arm, um sie vor Schaden zu bewahren, trat ich zu ihm.
»Wann ist der Sack geliefert worden?« Ich nahm an, dass es noch nicht lange her sein konnte. Hier ging es sehr ordentlich zu. Das verschüttete Korn wäre normalerweise schnell aufgefegt worden.
»Heute Morgen«, ließ mich Buxus mit trauervoller Stimme wissen.
Ich hatte gesehen, dass ein Karren entladen wurde, als ich vorhin ankam. »Vor einer halben Stunde?« Er nickte. »Es kann sich also kaum hier jemand daran zu schaffen gemacht haben. Und woher wird es geliefert?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete er ausweichend. »Da müssen Sie Calliopus fragen.«
»Aber ihr bekommt regelmäßige Lieferungen?« Buxus sah immer noch wachsam aus, sagte aber Ja. »Und wie oft?«
»Einmal pro Woche.«
Buxus legte den Kopf auf die Arme. Entweder war das die Imitation eines sehr traurigen Mannes oder ein deutlicher Wink, ihn in Ruhe zu lassen.
Ich ging zurück in die Menagerie und sah mir den Kornsack genauer an. An der Stelle, wo er aufgeplatzt war, hingen zwei lange Nahtfäden herab, die Enden sauber abgeschnitten statt ausgefranst. Da hatte sich offensichtlich jemand dran zu schaffen gemacht. Ich hievte das eine Ende des Sackes hoch und schaute auf die Unterseite. Die aufgemalten Abkürzungen bedeuteten, dass er aus dem prokon- sularen Afrika kam, der Kornkammer des Imperiums. Beinahe ließ ich es damit gut sein, hob dann aber zum Glück auch das andere Ende hoch.
Da stand in roten Buchstaben »Horrea Galbae«, was darauf hindeutete, wo der Sack in Rom gelagert worden war, und darunter »»ARX: ANS«. Nux zappelte, da sie an das verschüttete Korn wollte, also packte ich sie fester und ließ mir von ihr den Hals lecken, während ich versuchte die abgekürzte Aufschrift zu entziffern. Sie sah nach einer Adresse aus. Nicht die des Trainingslagers, so viel war klar.
Ich kehrte ins Büro zurück, ging alle Möglichkeiten durch.
»Calliopus, hab ich Recht, dass Sie den Verdacht haben, Saturninus habe das Korn vergiftet? Gehört das zu der Fehde, die zwischen Ihnen läuft?«
»Ich habe nichts dazu zu sagen«, erklärte Callio- pus kalt.
»Das sollten Sie aber«, bemerkte Anacrites. Wenigstens konnte ich mich auf seine Unterstützung verlassen, wenn es darum ging, jemand anders zu nerven.
»Wer liefert Ihr Korn?«, krächzte ich. Meine Stimme ließ mich im Stich.
»Ach . einer der großen Kornspeicher. Ich müsste auf der Bestellung nachschauen.«
»Sparen Sie sich die Mühe.« Meine Kehle fühlte sich an wie ein Reibeisen. »Da wird vermutlich der Kornspeicher der Galbae draufstehen.«
Seinem Stirnrunzeln nach zu schließen, war es mir selbst gelungen, Calliopus zu nerven. Falls »ARX: ANS« das bedeutete, was ich vermutete, wusste ich, warum.
Ich zwinkerte Anacrites zu. Zu meiner Überraschung sagte er nichts, erhob sich nur von seinem Hocker, packte unsere Sachen ein und teilte Callio- pus mit, dass wir hier fertig seien; er werde zu gegebener Zeit entweder von uns oder vom Zensus hören. Als wir die Außentreppe hinunterstiegen, Nux fröhlich vor uns her, machten zwei Tauben den schwachen Versuch, von dem im Hof als Köder ausgestreuten Korn aufzuflattern, brachen aber in grauen Federhaufen zusammen, die Schnäbel im Staub. Ich rief den Hund zu mir. Ein paar Fliegen inspizierten bereits den toten Strauß, als wir durch das Tor hinausgingen.
Sobald wir die Straße erreichten, erwartete Anacri- tes, dass ich ihm verriet, was mich beschäftigte, und begann mich mit Fragen zu löchern. Ich sagte, er könne sich nützlich machen und rausfinden, wie das mit dem Haus war, das Calliopus für seine Geliebte gekauft hatte. Wir würden uns dann später in unserem Büro in den Saepta treffen. Davor würde ich noch mal kurz im
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