Den Löwen Zum Frass
zwischen seine Sandalenriemen, packte ihn an seiner makellosen Tunika und drückte gegen seine Brust, bis er quiekte und sich zurückbeugte.
»Erspar mir die geheimen Parolen«, knurrte ich. »Du magst zwar der hübscheste Schreiber im großkotzigsten Kornspeicher am Tiberufer sein, aber jeder Hohlkopf mit ein bisschen Grips im Schädel kann das Logo entziffern, wenn er die Worte >Korn< und >einmal pro Woche< miteinander in Verbindung bringt. >S< und >P< und >Q< und >R< zu verbinden zeigt nur, dass du ein bisschen was vom Alphabet weißt. Jetzt hör mir mal zu, Süßer. Das Korn, das du diese Woche geliefert hast, vergiftet Vögel. Denk mal sehr sorgfältig darüber nach. Und dann überleg dir, wie du dem Senat und dem Volk von Rom erklären willst, warum du dich geweigert hast, mir bei der Suche nach dem Schuldigen zu helfen.«
Ich trat ganz plötzlich zurück und ließ seine Tunika los.
»Die Lieferung geht an die Arx«, gestand der Schreiber mit entsetztem Flüstern.
»Und der Rest ist die Abkürzung für >Anseri Sacri<«, erklärte ich ihm, obwohl er das nur zu gut wusste. Er tat recht daran, entsetzt zu sein. Der Sack Korn, der den Strauß vergiftet hatte, war für die berühmten heiligen Gänse bestimmt gewesen.
»Platz, Nuxi!«
Einen Moment lang sah es so aus, als würde mein Köter fürs Gänsebeuteln ins Gefängnis wandern. Ein Priester vom Tempel der Juno Moneta musterte uns misstrauisch aus dem Heiligtum. Zufällige Besucher waren hier oben nicht gern gesehen. Die Zitadelle war kein Ort zum Gassiführen.
Juno Moneta hatte bereits in alten Zeiten die Verantwortung für die Münze und das Patronat des römischen Handels übernommen. Ein früher Beweis dafür, dass das weibliche Geschlecht das Haushaltsgeld verwaltete. Jupiter mochte zwar der Größte und Beste sein, doch seine göttliche Frau hatte sich die Moneten geschnappt. Er tat mir Leid. Aber, wie Helena so vernünftig sagte, es war einfach besser, wenn nur einer das Haushaltsgeld unter Kontrolle behielt.
»Oh, bitte, hetzt sie nicht auf!« Der Hüter von Junos heiligen Wachvögeln wirkte freundlich und entspannt. Falls Nux eines seiner Federviecher für meinen Kochtopf apportierte, würde das für ihn nur ein
äußerst unbequemes bürokratisches Problem darstellen. »Ich muss die Prätorianer rufen, wenn die Gänse laut zu schnattern anfangen, ganz zu schweigen von dem armlangen Bericht, den ich über den Vorfall auszufüllen habe. Du bist doch wohl kein marodierender Gallier, hoffe ich?«
»Ganz und gar nicht. Selbst mein Hund besitzt das römische Bürgerrecht.«
»Was für eine Erleichterung.«
Seit damals die gewaltige keltische Armee Italien überfallen und Rom tatsächlich geplündert hatte, besaßen Gänse einen privilegierten Status auf der Arx, zu Ehren ihrer gefiederten Vorfahren, die Alarm geschlagen und das Kapitol gerettet hatten. Ich hatte mir vorgestellt, dass die weißen Vögel ein behütetes Leben führten. Die hier sahen ein bisschen mitgenommen aus, um die Wahrheit zu sagen.
Die Gänse zeigten ein aggressives Interesse an Nux. Die Hündin bellte einmal kurz und drängte sich dann an meine Beine. Ich war mir nicht sicher, ob ich den kleinen Feigling schützen konnte. Als ich mich bückte, um Nux zu tätscheln, merkte ich, dass ich in eins der schleimigen grünen Häufchen getreten war, die hier überall oberhalb der Stufen des Mamertin lagen.
Gegenüber auf dem niedriger gelegenen Kapitol, das zusammen mit der Arx zwei Hügelkuppen bildete, machte der Wiederaufbau des Jupitertempels Fortschritte. Er war am Ende des Bürgerkrieges, der Vespasian an die Macht brachte, zerstört worden und wurde jetzt in aller Pracht und Herrlichkeit wieder errichtet, als Zeichen dafür, dass die flavi- schen Kaiser über ihre Rivalen triumphiert hatten. Oder, wie sie es zweifellos ausdrücken würden, als eine Geste der Ehrfurcht und der Erneuerung Roms. Feiner weißer Staub trieb mit dem Nieselregen zu uns herüber, doch der Regen konnte das eifrige Hämmern der Steinmetze nicht dämpfen, wussten sie doch, dass die vom Zensus erhobene Vermögenssteuer sie am Ende für Material und Arbeit fürstlich entlohnen würde. Sobald sie mit dem neuen Tempel des Kapitolinischen Jupiter fertig waren, würden sie für ebenfalls beste Bezahlung am Flavi- schen Amphitheater, der neuen Bühne für das Marcellustheater, an den Restaurierungsarbeiten am Tempel des Vergöttlichten Claudius weitermachen und danach das Forum des Vespasian bauen, mit zwei
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