Den Löwen Zum Frass
Kornspeicher der Galbae vorbeischauen. Dazu musste ich nur über den Tiber, und schon war ich da.
Er blickte misstrauisch. Wahrscheinlich dachte er, er würde mich an dem Tag nicht mehr wieder sehen. Es war ihm nicht entgangen, dass der Kornspeicher der Galbae hinter dem Emporium und dem Portikus Aemilius lag, direkt unterhalb der Porta Lavernalis. Von dort aus war es nur ein kurzer, steiler Anstieg zum Kamm des Aventin - und zu einer langen Mittagspause zu Hause bei Helena. Ich versicherte ihm, dass ich kein Mittagessen brauche, weil ich ja abends eingeladen sei. Mies, wie ich mich fühlte, ließ ich es so wenig überzeugend klingen wie möglich.
Die Horrea Galbae waren ein regelrechtes Magazin. Bis ich mich vom Uferkai durch die Schauerleute und Träger durchgedrängt hatte, die Barken und Boote mit Waren für das Emporium entluden, war ich nicht mehr in der Stimmung, mich leicht beeindrucken zu lassen. Es ging mir gegen den Strich, dieses monströse Ding zu betreten, von einer reichen Familie als Abkürzung zu noch größeren Reichtü- mern erbaut. Der Pachtertrag muss immer enorm hoch gewesen sein, obwohl die Sulpicii Galbae wohl kaum selbst hier runterkamen und um Kornpreise feilschten. Seit den Zeiten der Republik hatte die Familie hohes Ansehen genossen; einer von ihnen war sogar Kaiser geworden. Er hatte zwar nur sechs Monate durchgehalten, aber das musste gereicht haben, um den Kornspeicher unter staatliche Kontrolle zu bringen.
Ich konnte nicht umhin, zuzugeben, dass es ein erstaunliches Unternehmen war. Der Gebäudekomplex umschloss mehrere große Innenhöfe, alle mit hunderten von Räumen in mehr als einem Stockwerk, geführt von militärisch organisierten Personalkohorten. Zumindest hatte ich so die Chance, herauszufinden, wonach ich suchte. Hier musste es Unterlagen für alles geben, wenn ich den entsprechenden Schreiber finden konnte, bevor er sich in die nächstgelegene Caupona verzog. Anacrites hatte Recht; es war kurz vor Mittag, gefährlich nahe an der Zeit, wo Stilusschwinger zum Essen gingen.
Hier wurde nicht nur Korn gelagert und verkauft.
In diesem Komplex konnte man alles anmieten, vom Weinkeller bis zum Tresorraum. Einige Räume waren an Kaufleute vermietet: Webereien, teures architektonisches Steinzeug, sogar Fisch. Aber die meisten Gebäude waren speziell als Kornspeicher entworfen worden. Sie hatten erhöhte, geflieste Böden auf niedrigen Mauern mit luftdurchlässigen Schwellen, damit die Tunnel darunter gut durchlüftet wurden. Die Wände waren verputzt, hatten nur hinten schmale Lüftungslamellen, die ein wenig Licht einließen. Die großen viereckigen Innenhöfe waren von Reihen dieser halbdunklen, kühlen Räume umgeben, verschlossen mit festen Türen gegen Feuchtigkeit, Ungeziefer und Diebstahl, die drei größten Gefahren für gelagertes Korn. Die meisten Treppen wurden nach ein paar Schritten zu Rampen, um das Leben der Träger mit den schweren Säcken auf dem Buckel leichter zu machen; viele von ihnen waren völlig verkrümmt und o-beinig. Überall liefen Katzen herum, als Gegenwehr gegen die Ratten und Mäuse. In regelmäßigen Abständen standen Feuerlöscheimer. Vielleicht lag es an meiner Erkältung, aber an dem Tag kam es mir so vor, als wäre die Luft mit dickem, widerlichem Staub erfüllt.
Das Verwaltungsbüro war leicht zu finden. Eine Stunde später hatte ich mich durch die Schlange bis zu einem schmalhüftigen Schreiber mit langen Wimpern vorgekämpft. Schon möglich, dass er mir irgendwann Aufmerksamkeit schenken würde, wenn er damit fertig war, seinem Nachbarn, einem Aushilfsschreiber, dreckige Witze zu erzählen, und mir die gewünschte Auskunft über die Sackaufschriften gab. Als ich ihn erreichte, polierte er sich die Fingernägel an seiner Tunikaschulter und machte sich bereit, mich abzuwimmeln.
Wir hatten einen langen Zank darüber, ob er ermächtigt war, mir Einblick in die Lieferlisten zu geben, gefolgt von einem heftigen Wortwechsel darüber, dass es keinen Kunden namens Calliopus gebe.
Ich borgte mir eine Notiztafel von dem Aushilfsschreiber, der unsere Auseinandersetzung mit hochmütigem Lächeln beobachtet hatte. Deutlich schrieb ich »ARX: ANS« auf die Tafel.
»Sagt dir das was?«
»Ach das!«, hauchte der Schönheitskönig der Lieferlisten. »Tja, das ist kein Privatkunde.«
»Und wer ist dann dieser staatliche Kunde?«
»Das ist vertraulich.« Wie ich mir gedacht hatte. »SPQR.«
Ich trat auf seinen Fuß, quetschte meine Schuhnägel
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