Den Löwen Zum Frass
endlich.
»Strauße!« Das sagte er voller Verachtung. »Die
Biester fressen alles. Sie schlucken sogar Steine.« Im Vergleich schien er jetzt doch mehr für seine Gänse übrig zu haben.
»Die Strauße haben nichts gegen Korn, und es sieht so aus, als bekämen sie es auch«, sagte ich kurz angebunden. »Hör zu, die Sache ist ernst. Wir sollten zunächst mal alles aufsammeln, was du heute ausgestreut hast, und gib den Gänsen nichts mehr, bevor du den Sack nicht an weniger heiligen Vögeln getestet hast.«
Es kostete mich einige Überredung, aber die Drohung, seine Schützlinge zu verlieren, zeigte am Ende Wirkung. Ich band Nux an einen Baum - woraufhin die Gänse so taten, als würden sie über die Hündin herfallen -, und der Wächter und ich krabbelten eine halbe Stunde lang auf den Knien herum und sammelten jedes Körnchen auf, das wir finden konnten.
»Worum geht's hier eigentlich?«, fragte er, als wir uns endlich aufrichten und den schmerzenden Rücken strecken konnten.
»Das gehört alles zu einem tödlichen Grabenkrieg zwischen den Haltern wilder Tiere für die Arena. Wenn sie durch ihre Dämlichkeit den heiligen Gänsen zu nahe gekommen sind, muss das sofort aufhören. Ich muss rausfinden, wie und wann der Sack, der dem Strauß zum Verhängnis wurde, von dem Karren aus dem Kornspeicher verschwunden ist.«
»Oh, das kann ich dir sagen.«
»Wieso das?«
»Die Fahrer machen immer bei der Caupona am
Fuße des Hügels Halt und trinken was Warmes, bevor sie weiterzuckeln. Im Winter trinken sie drinnen. Jeder, der ihre Gewohnheiten kennt, könnte sie wegen der überschüssigen Säcke auf dem Karren anquatschen. Das wäre natürlich riskant, weil auf den Säcken steht, dass sie für die Gänse bestimmt sind. Es muss sich heute um eine einmalige Sache gehandelt haben.«
»Wirklich?«
Ich war der Meinung, dass Calliopus' Strauße wahrscheinlich länger mit heiligem Korn gefüttert worden waren, als der Wächter mich glauben lassen wollte. Es war möglich - und sogar die plausibelste Erklärung -, dass dieser freundliche alte Knacker seinen Anteil an der Getreidesackaktion bekam. Ich konnte ihn in große Schwierigkeiten bringen, wenn ich das meldete, aber ich war nicht hinter ihm her.
»Vielen Dank für deine Hilf e.«
»Ich muss einen Bericht darüber abliefern, dass meine Gänse heute beinahe vergiftet worden wären.«
»Ach, lass das lieber sein, damit verschwenden wir nur unsere Zeit.«
»Wie heißt du?«, beharrte er.
»Didius Falco. Ich arbeite für den Palast. Vertrau mir, ich kümmere mich um die Sache. Ich werde den Mann vernehmen, der hinter dem Giftanschlag steht. Es sollte nicht wieder vorkommen, aber ich gebe dir einen Rat: Wenn du die vielen Kornsäcke nicht willst, bitte deinen Vorgesetzten, die offizielle
Order zu reduzieren. Sonst kommt eines Tages ein aufsässiger Revisor, der nicht so gute Manieren hat wie ich, und macht einen Riesenstunk.«
Offensichtlich ging das mit den unerwünschten Getreidelieferungen zum Kapitol seit Urzeiten so. Ich hätte die älteste Versorgungsgüterschiebung des Imperiums aufdecken können. Vespasian wäre stolz auf mich. Andererseits stünden zur Unterhaltung der Massen dann nur noch sehr magere Strauße zur Verfügung. Unser neuer Kaiser wollte beliebt sein. Möglicherweise zog er es vor, dass ich mich nicht um die gestohlenen Säcke kümmerte, damit das exotische Federvieh dick und munter blieb.
Ich nahm Nux zu ihrer eigenen Sicherheit auf den Arm. Als ich ging, murmelte der Wächter immer noch was von seiner Pflicht, diverse Beamte darüber zu informieren, dass die kostbaren Gänse nur knapp einer Katastrophe entgangen waren. Alles nur Schau, nahm ich an. Er wusste bestimmt, dass es besser war, den Mund zu halten.
Sobald er merkte, dass ich ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenkte, kehrte er zu seinen normalen Aufgaben zurück. Während ich hinunter zum Forum ging, hörte ich ihn die heiligen Vögel mit einem liebevollen »Gebraten in grüner Soße!« necken.
Erst da merkte ich, dass sich Nux, während ich nicht auf sie achtete, in dem widerlichen Gänsekot gewälzt haben musste.
Helena Justina legte mir eine wunderbar kühle Hand auf die Stirn und verkündete, dass ich das Haus keinesfalls mehr verlassen würde. Sie trug das Baby ins andere Zimmer und machte sich daran, sich um mich zu kümmern. Wie schön! Oft genug hatte sie erlebt, wie ich von Verbrechern und miesen Typen zusammengeschlagen worden war, aber in den drei Jahren, seit ich sie
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