Den Oridongo hinauf (German Edition)
ersten Begegnung mit ihnen und der Insel erzählen soll – worauf ich das eben tue, nur vielleicht in einer etwas bearbeiteten Variante der Wirklichkeit, so wie die ausgesehen hat.
Ich schleiche umher. Ja, so ist das. So ist es in der ersten Zeit, und so bleibt es noch lange, nachdem ich mich mit diesem elenden Hut blamiert habe, den ich zu kennen einfach leugne, ganz zu schweigen von der Busfahrt nach Viken vom Anleger in Laugen aus, der Busfahrt, aus der nichts wurde, weil … Weil Bendik Haga hinter dem Lenkrad sitzt und mich im schräggestellten Spiegel über der Windschutzscheibe angrinst, während der Motor im Leerlauf brummt. Bendik Haga tritt ein wenig aufs Gaspedal. Legt den Kopf schräg. Murmelt etwas im Dialekt. Irgendetwas, das die Umsitzenden dazu bringt, wiehernd zu lachen und sich umzudrehen. Mich anzusehen. Der da mit dem Koffer zwischen den Beinen und dem Hut auf dem Kopf sitzt. Fahren? Nein. Noch nicht. Kann warten. Das macht mir am meisten zu schaffen. Dass ich nicht wissen kann, ob wir auf jemanden warten, oder auf etwas. Oder ob es nur reine … warten wir auf den alten Jens Harkåker, von dem alle, außer mir, wissen, dass er auf seinen schwächlichen Beinen unterwegs ist und dass man auf ihn Rücksicht nehmen muss? Warten wir auf Kari Linden, von der alle, außer mir, wissen, dass sie zusätzlich Zeit braucht, weil sie noch abrechnen muss, ehe sie den Laden hinter sich abschließen kann? Oder muss vielleicht noch ein Paket von der Fähre an Land gebracht werden? Das alles sind mögliche Routinen, über die ich nichts wissen kann, und ich bringe es auch nicht über mich, danach zu fragen. Ich kann nicht vorschlagen, dass sich jetzt bei einer Ankunft irgendetwas ändern sollte. Jedenfalls fahren wir nicht. Und ich sitze da mit dem Hut auf dem Kopf. Während Bendik Haga mir ein Lächeln sendet, das nicht vom Herzen kommt, sondern aus der Hölle. Du da. Mit dem Hut. Du wolltest doch nicht etwa eine kleine Bustour unternehmen? Nach Viken hinaus? Es dauert und dauert. So kommt es mir jedenfalls vor. Dass es dauert und dauert. Und dann kommt mir dieser Gedanke. Dass ich etwas vergessen habe. Eine Dose Lutschtabak. Ein Brot. Nein. Ein Gespräch. Ich habe einen wichtigen Termin im Gemeindebüro vergessen. Eine Verabredung mit dem Bankdirektor. Es geht um Steuern. Ich schlage mir an die Stirn, als es mir einfällt. Hat man so was schon mal gesehen! Ich schüttele resigniert den Kopf, packe den Koffer und stehe auf. Ich habe etwas Wichtiges vergessen und muss diese Sache jetzt sofort in Ordnung bringen. Viken muss warten.
Aber die Tür ist geschlossen. Ich versuche, meine Finger zwischen die Gummileisten zu schieben, aber ich kann sie nicht auch nur einen Spalt öffnen, und für einen Moment spüre ich, wie sich in mir der Abgrund auftut. Das hier darf nicht passieren. Es darf mir nicht passieren. Denn sonst.
Und dann stößt jemand einen scharfen Befehl auf klangvollem Vaksøyisch aus, und die beiden Glastüren gleiten mit einem trägen Pffff auseinander. Ungefähr wie ein Furz von der grausigen Sorte. Auf diese Weise entkomme ich, auf eine Weise, die mir beschämend und beleidigend zugleich vorkommt, und auf halbem Weg zu irgendetwas, zum Beispiel dem Gemeindehaus oder dem Kiosk, höre ich, wie der Bus losfährt und verschwindet.
Also nehme ich die Beine in die Hand und den Strand in Besitz.
Das Wetter ist gut. Es ist nicht weit bis hinaus nach Viken.
Aber ohne es zu wissen, habe ich bereits begonnen, auf der Insel herumzuschleichen. Ein zögernder Gang, der für andere nicht zu sehen ist, nicht meine physische Erscheinung wirkt unsicher und schüchtern, sondern mein Spiegelbild, das ich in meinem Inneren trage, es ist der Schatten, der nicht wagt, Berit mit der Tatsache zu konfrontieren, dass ich gekommen bin, um zu bleiben, der Wechselbalg, der sich krank ins Bett legt, um Frieden und Mitleid zu finden, ich liege einige Tage in Lillys Bett und zwinge mir einen Husten ab, der mir am Ende wirklich Halsschmerzen beschert, und sie bringt mir Tee mit Honig, aber vielleicht nicht mit der Hingabe, die ich erhofft hatte, es kann so wirken, als sei sie auf der Hut, aber sagt sie etwas? Nein, in dieser Zeit ist sie fast gänzlich stumm, und ich denke mir, dass sie sicher hört, was sie hört, und dass sie sich sicher auch an das erinnert, woran sie sich aus der Zeit vor dieser nun einmal erinnert, von damals, als sie freiwillig den langen Weg zu mir heruntergereist ist, aber dass das vielleicht doch eine
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