Den Oridongo hinauf (German Edition)
Klerke müssen sich uns gegenüber wie normale Menschen aufführen, und nicht wie Christus oder der König, auch wenn der Vergleich nicht stimmt, jedenfalls, was König Harald angeht, der ja gerade hier oben nach dem schrecklichen Orkan damals in den achtziger Jahren seinen ersten Auftritt hatte, König Harald in Gummistiefeln und einer ebenso hässlichen Daunenjacke wie die, mit der Reinert von Neset normalerweise durch die Gegend läuft. Nein, ich will nicht. Hier sitze ich nun und kämpfe mit mir. Bin ungerecht, das sehe ich ein, schließlich sind nicht die Klerke auf diesen Unsinn verfallen, sondern meine Dorfgenossen, es ist sogar möglich, dass diese kleine holländische Familie lieber in aller Stille auf den Anleger gerollt wäre, ohne irgendein Fest oder Geschrei, sie wären lieber ruhig und friedlich zum Pfarrhaus gefahren und hätten in der Küche eine Tasse Kaffee getrunken, um dann im Kellerraum schlafen zu gehen. Aber so einfach oder edel ist es wohl nicht, denn sie sind ja bereit, am selben Abend im Gemeindehaus höchst nachdrücklich anwesend zu sein, und das alles ist ein Scheiß, denn Ellen Svendsens Interview mit mir, das »Gespräch mit einem Neuankömmling«, soll sofort nach der geheimen Unterhaltungsnummer der Klerke stattfinden, von der übrigens niemand weiß, worum es sich da handelt, sicher eine Art Holzschuhnummer mit Käse, denke ich und kichere ein wenig, und das noch dazu total unfreiwillig, weil ich doch eigentlich überaus niedergeschlagen bin, denn die Sache mit der neuen Brücke setzt mich unter einen gewaltigen Druck. Ich traue mich nicht, es zu dieser überaus notwendigen Auseinandersetzung mit ihnen kommen zu lassen. Aber ich kann auch nicht darauf verzichten.
Aber dann muss ich an Kjell Askildsen denken, von dem ich auf meiner Reise den Oridongo hinauf alles gelesen habe, es trifft mich wie ein Blitzschlag, sein Buchtitel
Ein plötzlich befreiender Gedanke
, genauer gesagt, meine eigene Variante desselben, mich überkommt eine große Erleichterung, als ich erkenne, dass es auf der ganzen Welt keine Macht gibt, die mich zu irgendetwas zwingen kann, jedenfalls nicht dazu, mich im Gemeindehaus in Laugen interviewen zu lassen, ich bin mein eigener Herr, und bei diesem Herrn verhält es sich eben so, dass er etwas anderes vorhat, als irgendetwas von Interesse für die Gemeinschaft beizusteuern, eher ist das Gegenteil der Fall. Die Zeit ist reif, um die Umgestaltung von Lillys Kinderzimmer in Angriff zu nehmen, mit der Berit mich, zumindest indirekt, beauftragt hat, und ich erhebe mich von dem schmalen Bett, auf dem ich den ganzen Vormittag gesessen und mich vor dem gegraust habe, was mir als unvermeidlich erschien, ich entferne Decke und Bettwäsche, ich reiße die Matratze aus dem Rahmen und lehne sie an die Wand, dann reiße ich das Bettgestell mit roher Kraft auseinander, hier soll es ein breites, großzügiges Bett geben, für mich und für sie, die bisweilen zu einem nächtlichen Besuch kommen wird, ich habe das Material im Schuppen, handgehobelte Bretter aus Magnes Zeit, ja, wieder geht es um Magne und mich und um unsere gemeinsame Frau, Magnes Bretter, die da draußen liegen und darauf warten, zu meinem und Berits Bett zu werden, und das in Lillys Kinderzimmer, das mit Lilly ist ein wenig erregend, dass sie dort in diesem Bett gelegen hat, das jetzt ausgebaut und verbessert werden soll, dass sie dort gelegen und sich selbst erforscht hat, ich habe schon manchmal daran gedacht, und jetzt ist es eine willkommene Abwechslung, da es so viele andere Gedanken gibt, die alles andere sind als willkommen, aber es kommt nur Unfug und Unsinn dabei heraus, ich kann mich auf gar nichts konzentrieren, ich kann nur das Bett auseinandernehmen und den Schreibtisch ein wenig hin und her schieben, denn ich weiß ja, was von mir erwartet wird, und wie oft habe ich Berit schon enttäuscht? Sehr oft. Ellen und Arne luden zum Essen ein, als ich gerade meinen Einzug hier auf der Insel gehalten hatte, und ich weigerte mich herunterzukommen, ich hatte keinen Hunger, ich wollte keinen Fremden ins Gesicht sehen, ich wusste nicht, worüber man in einer solchen Situation redet, ich ließ mich aber doch dazu zwingen, zu einem Teil der Gemeinschaft zu werden, weil Berit vor der Tür des Kinderzimmers stand und wimmerte, es sei so peinlich für sie, so schmerzlich und schwierig (komm doch runter, Ulf!), und peinlich und schwierig wurde es auch, als ich mich am Ende überreden ließ, vielleicht wurde es sogar
Weitere Kostenlose Bücher