Den Oridongo hinauf (German Edition)
Wohnstätte dienen kann.
Und wieso kommen sie überhaupt so viel früher als geplant, sie wollten doch erst kurz vor Weihnachten hier auflaufen? Darüber weiß ich nichts, und auch das finde ich empörend, eine Art Gleichgültigkeit, als ob es bei uns nicht so wichtig wäre, wir sitzen ja doch nur hier oben herum und warten auf neue Steuerzahler aus den Niederlanden, die sicher sehr gut sichtbar in der Liste von bezahlten Steuern, Einkommen und Vermögen auftauchen werden, wenn diese Listen veröffentlicht werden, wie es hier in diesem wunderlichen Land eben Sitte ist.
Ich finde, dass sie uns mit ihrem verfrühten Eintreffen nicht den nötigen Respekt erweisen, und es ist doch zu allem Überfluss ein Respekt, auf den wir einen Anspruch zu haben glauben. Sie hätten zu Weihnachten kommen und das Schulhaus als Weihnachtsgeschenk erhalten sollen. Jetzt habe ich das Gefühl, dass sie dem Gang der Ereignisse vorgreifen. Dass sie Löcher ins Papier bohren. Juxen.
Andererseits haben die Jahre mich ja gelehrt, oder genauer gesagt, sie haben mich dazu gezwungen zu akzeptieren, dass ich bisweilen mit einem riesigen Balken im Auge herumlaufe, um es einmal so zu sagen, und ich verkneife es mir weise, das zu frühe Eintreffen der Klerke mit Berit zu diskutieren, denn sie hat diese kleine Unsitte, dass sie sich leicht auf Ironie verlegt, ja, auf pure Sticheleien, und dann würde ich es sicher zu hören bekommen. Wie ich selbst nicht nur eines Tages ohne Voranmeldung auf der Schwelle stand, sondern wie ich noch dazu mit einer (zumindest scheinbaren) Selbstverständlichkeit in das Haus in Viken eingezogen bin, und dass ich darüber erst mit ihr gesprochen habe, als ich glaubte, es nicht mehr aufschieben zu können, und dass das war, nachdem sie selbst fand, ich könne es nicht mehr aufschieben. Aber es ist meine Erfahrung, dass es kein Trost ist, den Balken im eigenen Auge zu sehen, oft ist das genaue Gegenteil der Fall, man fühlt sich oft nur als ein noch ärmeres Würstchen als der mit dem Holzspan, oder war es ein Splitter, jedenfalls irgendein Fusselkram im Vergleich zu einem Balken. Denn es ist nun einmal so, dass ich aus tiefer Not und Notwendigkeit kam, während das, was die Klerke unternehmen, die pure Luxusreise von Wohlstand zu Wohlstand ist, trotz allen Geredes über muslimische Hegemonie, sie sind zu viert, sie haben einander, während ich alles auf diese eine, halb fremde Karte setzen musste. Und ich wurde nun wahrlich nicht mit Gemeinschaftsarbeit und Rundgesang empfangen!
Die Tage vergehen, und ich merke, dass ich anfange, mich zu grausen, ich hatte damit gerechnet, mich in Ruhe auf dieses Interview oder diesen Vortrag, oder wie ich das nun nennen soll, vorbereiten zu können, aber jetzt wird mir alles von den Klerken verdorben, und eines Abends ruft Ellen Svendsen an und will wissen, ob ich mich grause, und ich sage, nein, weshalb sollte ich mich denn grausen, ich brauche doch bloß ihre Fragen zu beantworten, und bisher hatte ich noch nie Probleme damit, meine Meinung zu sagen, eher war das Gegenteil der Fall, meine Offenheit hat mir durchaus schon das eine oder andere Problem beschert, und in diesem Moment fällt mir die Brücke ein, ein Hammerschlag von Gedanken, und ich muss so dringend aufs Klo, dass ich den Hörer an Berit weiterreiche.
So sitze ich dann da, auf dem engen Klo unter der Treppe, mit den Fotos aus Berits und Magnes gemeinsamem Leben an den Wänden, an Korktafeln und hinter Glas und Rahmen, und mit Stapeln von Zeitungen und Comics auf dem Boden, und nun geht mir auf, dass ich wirklich ein Problem habe, und dass ich so lange nicht an dieses Problem gedacht habe, ich habe es verdrängt, es ist typisch für mich, wenn ich glaube, Zeit genug zu haben, dann verdränge ich die dunklen Seiten einer Angelegenheit, aber nun ist es eben so, dass ich nicht Zeit genug habe, und da sickert das Dunkle in mein Tagesbewusstsein. Und das Entsetzliche ist, dass ich überhaupt kein Problem haben würde, wenn ich kein Mann wäre, der die Sache mit Lüge und Wahrheit so genau nimmt, aber das bin ich nun einmal, so bin ich geschaffen, ich bringe es nicht über mich, mit Lügen und Unwahrheiten um mich zu werfen, auch nicht mit Notlügen, falls es nicht um pure Bagatellen oder komplett gleichgültige Problematiken geht. Und was immer man über die neue Brücke, die von Binnøya nach Vaksøy führen soll, denken oder sagen, glauben oder meinen mag, so ist es einfach unmöglich, ein Projekt, das 270 Millionen Kronen
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