Den Oridongo hinauf (German Edition)
leidenschaftlicher Mann. Ich habe lernen müssen, damit zu leben. Aber besteht irgendein Grund zu der Annahme, dass sie lernen musste, mit irgendetwas zu leben, das mit bäurischen Dorfmachos zu tun hat? Blicke? Blöde Sprüche? Sexistisches Scheißgerede? Nein, der besteht nicht. Im Gegenteil. Zufällig weiß ich, dass der Lensmann – eben ein Mann ist. Aber wie viele Kriminalfilme habe ich gesehen, in denen Polizistinnen ignoriert und unterschätzt werden, ob sie nun in leitenden Positionen sitzen oder nicht? Zahllose. Es ist einfach idiotisch. Und trotzdem weiß ich, schon, als sie mir erzählt, dass der Lensmann gerade nicht im Haus ist, und als sie fragt, worum es denn geht, dass nicht ein einziger der Sätze, die ich mir zurechtgelegt habe, ihr gegenüber benutzt werden kann, weil sie so maskulin geladen sind. In mir versperrt sich alles. Und ich kann jetzt auch nicht wieder gehen.
»Das ist persönlich«, sage ich.
Sie lächelt und blättert in irgendwelchen Papieren. »Dann müssen Sie eben warten. Aber es kann lange dauern.«
Und damit hat sie mich auf den Grill gelegt.
Ich setze mich auf ein grünes IKEA-Sofa, vor mir ein niedriger Tisch, aber keine Zeitschriften, nichts, womit ich mich beschäftigen könnte, und sie ist nicht von der Sorte, die Kaffee anbietet, die fragt, ob ich vielleicht eine Tasse Kaffee möchte, es ist übrigens sehr gut möglich, dass sie die Art Frau ist, die gern einen Kaffee anbietet, Gewohnheitsverbrecher und Dorfpsychopathen werden vielleicht versorgt, aber ich nicht, nicht einer, der von außen kommt, und das macht sie mir jetzt klar, eben, indem sie mich wie Luft behandelt, wie ein Nichts männlichen Geschlechts, das da auf dem IKEA-Sofa sitzt und seine zehn Finger wieder und wieder durchzählt, während es schwitzt und die Wanduhr anstarrt, deren Zeiger sich fast nicht bewegen. Es kann dauern, hat sie gesagt. Vielleicht ist er weit draußen auf einer anderen Insel, um jemanden zur Vernunft zu bringen, oder um einen zu verhaften, der nach all den Jahren endgültig ernst mit seinen Drohungen gemacht hat, doch wenn sie das weiß, wenn sie weiß, womit er beschäftigt ist, und das weiß sie sicher, dann verschweigt sie es mir gegenüber. Es kann lange dauern. Das war alles.
Ihre Finger, die über die Tastatur jagen. Der kühle Blick, den sie auf den leuchtenden Schirm richtet. Eine Art halbes Lächeln.
Nach einer Stunde sehe ich ein, dass Berit recht hatte. Das hier ist sinnlos. Sie hat recht, und ich habe mich geirrt. Wie so oft. Ich habe keine Meldepflicht. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass irgendein Mensch hier oben Meldepflicht hat, und schon gar nicht ich, der ganz allein den Oridongo hinaufgefahren ist. Ich kann nicht begreifen, was mich hergetrieben hat. Welche verborgenen, destruktiven Kräfte in mir gewirkt haben. In mir, dem freien Mann.
Ich erhebe mich. Ich bitte um Entschuldigung. Ich sage, dass es mir leidtut, sie gekränkt zu haben.
Und zugleich. Wie erbärmlich. Während ich diese Worte hören lasse, die ich aufrichtig meine, und die Ordnung und Harmonie wieder herrichten sollen, in einer Situation, die vielleicht ein wenig aus den Fugen geraten ist, ich stehe doch wirklich hier und bitte um Vergebung – ertappe ich mich bei der Überlegung, ob sie sich unten vielleicht rasiert. Dafür habe ich im Internet doch Beispiele gesehen. Und ob sie einen großen Dildo in der Nachttischschublade hat.
Es ist einfach entsetzlich. Da und dort begreife ich, dass ich es niemals schaffen werde, mich aus dem Loch zu befreien, in das ich gestürzt bin, als das Eis sich unter mir geöffnet hat, damals in meiner Jugend. Ich weiß, dass ich niemals rein werden kann.
Ich denke: Das habe ich nun davon, dass ich mich Berit widersetzt habe. Die nicht im Netz unterwegs ist und grunzt, sondern die so friedlich unter der Eiderdaunendecke schläft, in dem Zimmer, das sie mit Magne geteilt hat, und die mich jetzt in ihrer unvorstellbaren Gnade und Großzügigkeit eintreten lässt, um dann in einigen kurzen Sekunden das zu erleben, wovon ich niemals geglaubt hätte, dass es mir zuteil werden könnte. Um das ich einen bösen Gott angefleht habe, er solle es mich erleben lassen, ehe der Tod mich holt.
Aber zugleich und nicht wenig befreiend: Stehe ich nicht hier und bitte eben um Vergebung? Das tue ich doch. Und dann beziehe ich auch die Vorstellung von der nackten Muschi und dem blöden Gummidings mit ein. So einfach ist das.
So denke ich, und in dem Moment, als sie den
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