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Den Oridongo hinauf (German Edition)

Den Oridongo hinauf (German Edition)

Titel: Den Oridongo hinauf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjørnsen
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ausgestiegen bin?
    Wenn diese Gedanken in mir auftauchen, gibt es kein Entrinnen. Dann werde ich langsam in die Hölle hinabgezogen. Warum steht sie nicht mehr dort unten am Küchenfenster? Warum hat sie aufgehört, anzurufen oder SMS zu schicken? Weil sie jetzt im Wohnzimmer sitzt und an jene Nacht oder an jene Nächte denkt? Glühend heiß, weil er sie die ganze Zeit per SMS detailliert auf dem Laufenden hält, über … über das Begehren, das an ihm reißt und zerrt, während er den Bus über die schmalen Straßen zum Anleger in Laugen fährt? Über die Beule in der Hose, sein Keuchen, mit der einen Hand auf dem Lenkrad, die andere auf dem Mobiltelefon, die Finger, die über die Tastatur laufen, verboten, lebensgefährlich.
    Es ist unerträglich! Heute Abend ziehe ich in den Schuppen. Nein, auf eine der kleinen Felseninseln.
    Dann kommt der Bus und der Druck wird ein wenig leichter. Ich löse die Fahrkarte mit einem kurzen »Hallo«, worauf Anders Vagle nickt und ebenfalls »Hallo« sagt, und ich denke, dass das reicht, dass ein kurzes und bündiges »Hallo« mehr als genug ist, kein Quatsch über das Wetter, kein unnötiges leeres Gerede, nur dieses eine »Hallo«, und der Bus, der schneller wird, während ich selbst von einer Seite zur anderen taumele, breitbeinig weitergehe und mich an den anderen Fahrgästen vorbeibewege, viele sind es nicht, ich gehe im Bus ganz nach hinten und lasse mich auf den breiten Sitz fallen, der dort angebracht ist, den Sitz, den man als Kind immer angestrebt hat, ganz hinten, am liebsten am Fenster, wie jetzt, hier sitze ich nun und sehe hinaus auf eine Landschaft, die langsam in der Dämmerung versinkt, und ich denke, dass auch im Lensmannsbüro nicht viel gesagt werden wird, nur das Allernötigste, das wird schnell erledigt sein. Hier bin ich. Ansonsten weißt du, wo ich zu finden bin. Du weißt, wo ich wohne, Du weißt, wer ich war, aber ich bin gekommen, um zu erzählen, dass ich jetzt ein anderer bin. Du wirst ja sehen. Irgendwann werde ich auf eine Insel hinausziehen, aber das muss warten, bis es Berit besser geht, bis sie nicht mehr von mir abhängig ist. Das wäre alles. Bis demnächst also.
    So ungefähr. Nachdem ich die Treppe in den ersten Stock, wo das Lensmannsbüro untergebracht ist, hochgestiegen bin, sehe ich vor mir den nackten Gang, rieche Putzmittel und Bohnerwachs, höre meine Fingerknöchel energisch an die geschlossene Tür klopfen, dann ein gelassenes »Herein«. Rasierwasser und Pfeifenrauch. Setzen Sie sich. Nehmen Sie Platz.
    So kommt es nicht, so wird es nicht, aber genau so stelle ich es mir vor, als der Bus vor dem Anleger vorfährt, wo sich die Busstation und das dreistöckige Haus der Gemeindeverwaltung befinden. Denn als ich aus dem Bus steige, kommt mir der Gedanke, dass es erstens ja durchaus möglich ist, dass Berit recht hat, dass dieser Besuch absolut unnötig ist, vielleicht geradezu dumm, was mich dazu bringt, an dem unschönen Gebäude aus den sechziger Jahren vorbeizugehen, und dann weiter zur Tankstelle, wo ich nichts zu suchen habe, abgesehen davon, dass ich mir eine Wurst und eine Schachtel Lutschtabak kaufe, während ich versuche, die Sache mit Berits Augen zu sehen. Aber nein. Das schaffe ich nicht, es gelingt mir ganz einfach nicht, ich muss mich doch auf meine eigene Intuition und mein Bauchgefühl verlassen, und ich verzehre meine Wurst und schiebe einen Priem ein, ehe ich kehrtmache und entschlossen die Glastür aufdrücke, die Treppe in den ersten Stock hochsteige, wo der frisch gewienerte Korridor einfach nicht vorhanden ist, ich stehe sofort in einer offenen Bürolandschaft mit Grünpflanzen und zwei Schreibtischen, und hinter dem einen sitzt Lensmannsassistentin Jenny Lydersen, eine Person, von der ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gehört habe.
    »Ach, Sie sind das also. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich würde gern kurz mit dem Lensmann sprechen.«
    Höre ich mich sagen.
    Aber will ich das wirklich?
    Wo es doch offenbar so ist, dass die Unterredung, dieses »kurze Gespräch«, das ich mir vorgestellt habe, sich in diesem Zimmer abspielen muss, wo jedes Wort von einer Frau gehört werden kann, von deren Existenz ich bisher keine Ahnung hatte? Die mich jetzt mit einem Blick mustert, den ich beim besten Willen nicht anders nennen kann als skeptisch? Vielleicht sogar ein wenig herablassend? Und was für ein Blick ist das, den ich für sie habe, wie sie da sitzt und ihr Uniformhemd zu sprengen droht?
    Ich bin ein

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