Den schnapp ich mir Roman
nach Ruhe. Das Filmgeschäft lässt einen vorzeitig altern, besonders, wenn man schreckliche Szenen drehen muss wie bei dem Vergewaltigungsfilm.«
Bei der Erwähnung ihrer sehr anspruchsvollen Rolle wurde die Atmosphäre ernster, aber Tessa ließ sich nicht lange abhalten.
»Und Sie, Rufus?« Sie schenkte ihm eines ihrer berühmten Hundertwattlächeln. »Was bringt Sie denn hierher zurück?«
»Hier ist meine Heimat.« Rufus’ Miene veränderte sich nicht, nur sein Unterkiefer verspannte sich. »Und wie Clemmie schon sagte, Hollywood ist sehr unecht. Manchmal muss man sich einfach zurückziehen, damit man die schlichten Dinge im Leben wieder schätzen lernt.« Damit lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
Rufus’ Verhalten war irgendwie seltsam kurz angebunden. Tessa beobachtete ihn, wie er in dem einen Moment völlig entspannt wirkte, im nächsten aber sehr nervös, dass
sein Körper ohne Vorwarnung von Reglosigkeit zu Lebhaftigkeit wechselte. Ob Drogen im Spiel waren? Alkoholabhängigkeit? Tessa spürte ein innerliches Zucken. Vielleicht war sie tatsächlich einer Sensation auf der Spur? Vielleicht war Rufus Pemberton nicht bloß ein hübscher Junge, der mit seiner Verlobten die richtige Karriereentscheidung getroffen hatte?
»Bedeutet das, dass Sie beide Hollywood den Rücken kehren?« Tessa wusste, dass sie sich mit dieser Frage auf Glatteis begab. Aber sie erkannte auch eine Gelegenheit, wenn sie sich ihr bot.
»Also, ich könnte mich hier gut zur Ruhe setzen, Schatz«, antwortete Clemmie und rutschte auf dem Sofa näher zu Rufus. Dabei bot sie allen einen flüchtigen Blick auf einen zarten, hellen Strumpf mit dem Ausschnitt eines milchweißen Schenkels darüber. »Ich liebe die frische Luft hier und die Ruhe und kann es kaum abwarten, endlich verheiratet zu sein!«
»Und ich bin immer da glücklich, wo sie sich wohlfühlt«, sagte Rufus mit einem Hauch von Trotz. Dann nahm er Clemmies Gesicht in beide Hände und küsste sie auf den Mund. Anschließend streichelten sie einander so offen und zärtlich wie zwei Teenager und schienen alle anderen im Zimmer zu vergessen. Sie drängten sich eng aneinander, und Rufus’ Hand glitt an ihrem spitzenbesetzen Strumpf immer höher bis zu dem Ausschnitt von nackter Haut. Tessa bedeutete der Filmcrew hektisch abzubrechen, und winkte dem sichtlich erregten JB zu, ihr aus dem Zimmer zu folgen. Dann wartete sie ungeduldig, bis das Filmteam alles zusammengepackt hatte, wobei sie den Blick von Rufus und Clemmie abwandte, die sich eng umschlungen auf dem Sofa wälzten. Tessa hatte den Verdacht, dass sie gerade ganz bewusst hinausmanövriert worden waren.
Aber nach allem, was sie soeben miterlebt hatte, würde die Reportage wie Sprengstoff wirken. Ebenso sicher war sie, dass bei Rufus eine ganz andere Persönlichkeit unter der Oberfläche verborgen war. Ob sie das nun gut fand oder nicht, seufzte Tessa, es war ihre Aufgabe, genau das herauszufinden.
Nachdem Tessa und JB sich verzogen hatten, löste Clemmie sich einen Moment lang von Rufus. Ihr Herz schlug wie wild. Zum ersten Mal seit Jahren fiel es ihr schwer, tief Luft zu holen. War es das Asthma aus der Kinderzeit, das sich unerwartet wieder meldete? Vielleicht war es auch eine Panikattacke? Mühsam versuchte sie, wieder normal zu atmen.
Rufus streichelte sanft ihr Haar und ließ die Finger an ihrem Hals entlanggleiten.
Clemmie rang um einen klaren Gedanken, denn sie musste einfach begreifen, was gerade passiert war. Sie hatte Tessa sofort nett gefunden, ihr breites Lächeln und der offene Gesichtausdruck hatten etwas an sich, was sie sofort für Tessa erwärmt hatte. Aber sie durfte nicht vergessen, dass Tessa eine Journalistin war, die man dafür bezahlte, dass sie an der Oberfläche kratzte, bis die nackte, reine Wahrheit zum Vorschein kam. Es war egal, ob diese Wahrheit akzeptabel war oder nicht, ja, eigentlich machte dies das Ganze nur noch delikater. Clemmie wusste genau, dass Tessa vielleicht auf den ersten Blick sehr freundlich wirkte, sich hinter dieser Fassade aber die Gnadenlosigkeit eines Staatsanwalts verbarg.
»Was ist?«, murmelte Rufus und ließ seine Hand weiter über ihren Körper gleiten.
»Ich weiß nicht. Hör mal, meinst du wirklich, diese Reportage ist eine gute Idee?«
»Wir haben das doch alles durchgesprochen, Clem«,
protestierte Rufus lachend. »Wir wollen, dass die Leute uns sehen, wie wir wirklich sind, oder? Menschen ohne Make-up und ohne auswendig gelernte Sätze.«
Clemmie
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