Den Tod im Griffl - Numbers 3
ist.
Ich beuge mich näher zu ihm. »Du bist der einzige Vater, den sie je hatte«, flüstere ich. »Und du bist der beste Vater, den sie nur haben konnte.«
Er reagiert nicht. Ich drücke seinen Arm, aber er sitzt nur sprachlos da.
Ich setze meine Füße auf den Boden und richte mich auf. Es ist eine gewaltige Anstrengung. Das Baby in meinem Bauch erscheint mir schwerer als je zuvor. Es liegt viel tiefer im Körper. Und es scheint so, als ob es von oben auf die Beine drückt. Sobald ich stehe, muss ich mich an die Wand lehnen, ich habe überhaupt keine Energie. Eine Sekunde lang schließe ich die Augen und atme, versuche wieder ein bisschen Kraft in meine Knochen zu kriegen.
Ich höre eine Stimme. Newsomes Stimme.
»Und deshalb«, sagt er, »machen wir weiter.«
Ich presse die Augen noch fester zusammen. Ich will, dass dieser Albtraum endlich aufhört.
»Nein.« Das ist Sauls Stimme. »Nein, für heute ist Schluss. Die beiden haben genug durchgemacht.«
Ich öffne die Augen. Newsomes zerquetschtes Gesicht ist ein Abbild wütender Irritation – und dann wendet sich Saul von mir ab und flüstert ihm etwas zu. Newsomes Gesicht verdunkelt sich, doch er hört auf zu brabbeln und stürmt aus dem Raum.
Saul steht jetzt einen Meter von mir entfernt. Er tritt mit ausgestreckter Hand vor und berührt meinen Bauch.
Ich bin entsetzt. Dieser Kerl macht mir Angst, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe. Ich habe ihn von dem Moment an gehasst, als er Mias Augenlid gewaltsam geöffnet hat, während sie sich in meinen Armen versteckte. Mein Rücken lehnt an der Wand – ich kann nirgendwohin ausweichen. Ich starre auf seine Hand. Ich ertrage ihre Berührung nicht.
»Lass mich in Ruhe«, fauche ich.
»Sarah«, sagt er ganz gütig, »du musst erschöpft sein.«
Adam ist jetzt auf den Beinen. Er legt seine Hand auf die von Saul und seine Finger zittern, als er versucht, die von Saul einzeln von mir wegzunehmen.
»Nimm deine Hand von ihr«, sagt er.
Für einen kurzen Moment greift Saul etwas fester zu und ich will schon schreien, aber da lässt er die Hand sinken. Sofort drehe ich mich um und strecke Mia die Arme entgegen. Sie klettert zu mir hoch. Meine Beine sacken unter ihrem Gewicht fast zusammen.
»Dann wollen wir euch mal zurück in euer Zimmer bringen«, sagt Saul.
»Nein!«
Er sieht mich an, erstaunt über die Bosheit in meiner Stimme.
»Ich will nicht dahin zurück. Ich will raus hier.«
Er seufzt. »Und auf dem Boden schlafen? Im Matsch? In der Kälte? Das glaube ich nicht. Du musst erst mal richtig schlafen. Und morgen sehen wir weiter.«
Wieso ist er so nett zu mir? Was hat er vor? Mein Kopf bekommt das, was geschehen ist, und das, was jetzt gerade passiert, nicht zusammen.
»Ich kann hier nicht schlafen. Ich kann es einfach nicht.«
»Dann brauchst du etwas, das dir hilft. Das kriegen wir schon hin. Komm mit.« Seine Hand liegt jetzt auf meinem Arm und er führt mich zur Tür.
»Nein, ich will nichts … ich brauch nichts, ich will nur raus hier … Adam? Sag ihm das.«
Ich schaue zur Seite und Adam strotzt jetzt vor Energie. Er zuckt – Hände, Finger, Schultern, Gesicht. Ich hab ihn schon mal so erlebt und ich weiß, was als Nächstes kommt.
»Nein, Adam, nicht. Bitte, lass es. Sie bringen dich wieder weg. Bitte nicht!«
Doch es ist schon zu spät.
»Ich hab gesagt, nimm die Finger von ihr. Hast du mich nicht verstanden?«
»Adam!«
Sein Ellenbogen fliegt zurück, dann schießt die Faust nach vorn und trifft auf den Kiefer von Saul, den es eiskalt erwischt. Mir wird übel. Saul taumelt rückwärts, hält sich das Gesicht. Sofort wird Adam von Leuten gepackt, die ihn zurückhalten, und auch ich werde gepackt und Mia, und man zerrt uns hinaus.
Ehe ich mich’s versehe, bin ich wieder in dem Raum, den ich so fürchte; verzweifelt und in Erwartung einer weiteren langen Nacht. Doch diesmal ist es anders.
Ich weiß, wozu diese Leute fähig sind. Es gibt hier keine Gnade. Es gibt keine Menschenrechte. Es geht nur ums Überleben.
ADAM
Also will Saul Zahlen sehen. Wenn er mich fragen würde, wie das ist, könnte ich ihm sagen, wie die letzten achtzehn Jahre für mich waren.
Tag für Tag dem Tod in die Augen zu sehen.
Die Schmerzen der Menschen zu spüren, ihr ganzes Leiden.
Zu wissen, dass ich niemandem begegnen kann, ohne gezwungen zu sein, über seinen letzten Augenblick im Leben nachzudenken. Nicht mal einem Neugeborenen.
Als er vortrat und seine Hand auf Sarahs Bauch legte, wusste
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