Den Tod im Griffl - Numbers 3
Knie gebeugt, die Augen geschlossen, das Gesicht im Profil.
»Siehst du es, Mia?«
Mia ist unter dem Bett hervorgekrochen. Sie steht auf Zehenspitzen und schaut das körnige Schwarz-Weiß-Bild auf dem Monitor an.
»Baby zwinker«, sagt sie.
»Ja, dem Baby wird ›Zwinker, zwinker‹ bestimmt auch gefallen.«
»Nein«, sagt Mia ärgerlich. » Baby zwinker.«
Ich verstehe nicht, was sie meint.
Sie nickt entschieden, als ob sie zufrieden wäre, dann kriecht sie mit ihren Kreiden zurück unters Bett.
»Irgendwelche Probleme?« Das ist wieder Sauls Stimme.
Die Ärztin schüttelt den Kopf. »Scheint alles in Ordnung zu sein. Dr. Newsome, kennen wir den vermutlichen Geburtstermin? Ich finde in den Unterlagen nichts.«
Newsomes Stimme fährt dazwischen. »Unwichtig. Das reicht – danke. Ich komme jetzt wieder rein.«
Die Ärztin schaut energisch hoch und sieht dann mich an. Sie bleibt an meinem Bett stehen, als Newsome wieder reinkommt. Doch er drängt sie schnell hinaus. Ich wuchte mich hoch, bereit loszulaufen, falls er mich wieder einsperren will.
Newsome spricht schnell, aber seine Worte ergeben für mich keinen Sinn. Mein Hirn hat nach den ersten paar Sätzen die Arbeit eingestellt: »Es besteht kein Anlass zur Sorge, aber das Ultraschallbild zeigt, dass wir das Baby früher holen müssen. Morgen machen wir einen Kaiserschnitt …«
Ich beobachte, wie sein Mund auf- und zuklappt, seine Lippen sich zusammen- und auseinanderziehen. Irgendwann beugt er sich vor und legt seine Hand auf meine, als beruhigende Geste. Ich bin sogar zu fassungslos, sie wegzustoßen.
Schließlich hört er auf zu reden.
»Ich verstehe nicht«, sage ich schwach. »Die andere Ärztin hat doch gesagt, dass alles in Ordnung ist.«
»Sie hat gemeint, der Fötus – das Baby – lebt. Aber es gibt noch andere Faktoren. Wie das Baby liegt, die Lage der Plazenta. Ein Kaiserschnitt ist einfach die sicherste Lösung.«
»Habe ich eine Wahl?«
»Es ist zu deinem Besten.«
Es wurde für mich entschieden.
Ich schaue hinab zu seiner Hand auf meinen Fingern, die dort sitzt wie eine fleischige Kröte. Und es ist, als ob ich es zum ersten Mal begreife. Was sind das bloß für Menschen? Wieso glauben alle, dass es in Ordnung ist, mich zu berühren?
Ich stoße die Hand grob weg.
»Ich will keine Operation«, sage ich.
Er steht auf. »Es ist zu deinem Besten«, wiederholt er.
»Ich will das nicht«, sage ich wieder und versuche meine Stimme kraftvoll klingen zu lassen.
Er bleibt an der Tür stehen und durch den Spalt sehe ich, wie jemand draußen auf dem Flur herumschleicht. Saul natürlich.
»Dann sehen wir uns morgen früh«, sagt Newsome. Hinter ihm funkeln Sauls Augen dunkel. Er reibt sich die Hände und schlägt danach Newsome auf den Rücken.
Die Tür schließt sich.
ADAM
»Ich bin gekommen, um dir zu gratulieren.«
Saul ist zurück. Er ist nervös, flatterig, aber er lächelt auch, wie eine satte, zufriedene Katze.
»Wozu?«
»Du bist kurz davor, Vater zu werden. Diesmal richtig.«
Sarah. Sie bekommt das Baby. Ich ignoriere seine Anspielung mit Mia und springe auf.
»Ich muss zu ihr, Saul. Ich hab ihr versprochen, dass ich da sein werde.«
»Beruhige dich, es passiert nicht vor morgen.«
»Was? Woher weißt du das?«
Er grinst noch immer. Es gefällt ihm, mich neugierig zu machen.
»Weil sie dann operiert wird.«
»Wieso operiert? Was ist mit ihr?«
»Gar nichts. Sie bekommt einen Kaiserschnitt. Schön sauber und ungefährlich.«
Einen Kaiserschnitt. Das ist doch, wenn sie einen aufschneiden und das Baby aus dem Mutterleib holen? Es wird gemacht, wenn irgendwas schiefläuft.
»Was ist los? Was verschweigst du mir?«
»Nichts ist los, Adam. Sie haben den Scan gemacht und alles sieht gut aus. Das ist das Schöne an einem Kaiserschnitt, man kann ihn genau dann machen, wenn es passt.«
Wenn es passt.
Wenn es wem passt?
»Wer hat das entschieden? Die Ärzte? Oder Sarah? Oder …?«
Er antwortet nicht.
»Ich muss sie sehen. Bitte. Ich werde alles tun, Saul. Alles, alles.«
Er lehnt an der Wand, die Arme verschränkt. Dafür, dass ich ihm letztes Mal in die Fresse geschlagen habe, wirkt er ziemlich entspannt.
»Was würdest du tun, Adam? Würdest du mir jede Zahl sagen, die ich wissen will? Würdest du mir versprechen, zu helfen, eine gute Zahl zu finden?« Er unterbricht sich. »Würdest du mir deine Zahl geben?«
»Du fragst mich Dinge, die ich niemals bejahen kann.«
Ich versuche mich von ihm zu
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