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Denen man nicht vergibt

Titel: Denen man nicht vergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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selbst sie konnte die Verzweiflung und den tiefen Kummer in seinem Gesicht sehen. Wenn man sie in diesem Moment gefragt hätte, ob er Cleo getötet, ob er je jemanden getötet oder zu töten versucht hatte, dann hätte sie unweigerlich nein gesagt. Er war der glaubwürdigste Mensch, dem sie je in ihrem Leben begegnet war.
    Er fuhr fort, einfach zu schweigen, mit unverändertem Gesichtsausdruck, egal, ob die Fragen beleidigend waren oder nicht. Das Fragengewitter schien einfach an ihm abzuprallen. Schließlich, und erst als er so weit war, trat Senator Rothman einen einzigen Schritt vor. Er nickte den schreienden Reportern und den Kameraleuten zu und blickte vielen von ihnen kurz in die Augen, während er die Hand hob. Sofort wurde es still. Es war unglaublich, wie er das fertig brachte, welche Macht er über die Presse ausübte. Das war etwas, was sie immer an ihm bewundert hatte. Sogar bereits bevor sie ihn traf, hatte sie sich immer wieder gefragt, wie er das schaffte.
    Senator Rothman sprach sehr leise, sodass sich jeder anstrengen musste, um ihn zu verstehen, und dem Nachbarn zuzischte, leiser zu sein, damit man ihn hören konnte. »Die Polizei hat mir gestern Nacht mitgeteilt, dass die Leiche meiner geschiedenen Frau gefunden wurde und dass sie, wie es scheint, bereits seit längerer Zeit tot ist. Man weiß noch nicht, wie lange, wird das aber nach entsprechenden Tests bald herausgefunden haben. Und dann, so hoffe ich, werden wir bald erfahren, was ihr zustieß. Wie Sie ja wissen, habe ich sie schon seit über drei Jahren nicht mehr gesehen. Ich möchte Sie hiermit um Ihr Verständnis für die tiefe Trauer von Familie und Freunden bitten.«
    Er trat einen Schritt zurück, hob die Hand und nickte den Reportern zu.
    »Der Name Ihrer Frau war Cleo, richtig Senator?«
    »Das ist richtig.«
    »Sie waren wie lange verheiratet?«
    »Wir waren fünf Jahre verheiratet. Ich liebte sie sehr. Ich habe sehr unter der Trennung von ihr gelitten.«
    »Was war die Todesursache, Senator?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Hat sie Ihnen gesagt, dass sie Sie verlassen wollte, Senator?«
    »Nein.«
    »Sind Sie froh, dass sie tot ist, Senator?«
    Senator Rothman schaute die Frau an, die ihm diese Frage gestellt hatte. Es war ein sehr langer Blick, unter dem sich die Frau zu winden begann. Schließlich sagte er: »Eine solche Frage zu beantworten ist unter meiner Würde. Sonst noch Fragen?«
    Ein anderer Fernsehreporter rief: »Haben Sie Ihre Frau umgebracht, Senator?«
    Er sagte eine Zeit lang nichts, schaute den Reporter nur an, als wolle er ihn einschätzen und als wäre das Ergebnis nicht gerade erfreulich. Dann sagte er in resigniertem Ton: »Es verblüfft mich immer wieder, wie ihr Herren und Damen von der Presse euch selbst inmitten einer Krise, egal, ob groß oder klein, wie ein Rattenpack aufführen könnt.«
    Stille folgte auf diese Worte, nervöses Füßescharren, zorniges Gewisper und einige empörte Gesichter.
    Nick starrte den Mann, den sie fast geheiratet hätte, an. Ein paar Reporter, die wütend über das waren, was er gesagt hatte, begannen weitere Fragen zu brüllen, verstummten dann jedoch mitten im Satz. Alle starrten ihn an - sein Gesicht war offen, nackt, von tiefem Kummer und Schmerz gezeichnet. Tränen rannen ihm übers Gesicht, und jeder konnte es sehen. Er versuchte, noch etwas zu sagen, konnte aber nicht mehr. Oder tat zumindest so. Er schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging, umgeben von seinen Helfern, die einen schützenden Ring um ihn bildeten, davon. Hoch aufgerichtet, steif und offensichtlich Qualen leidend. Die Reporter, alle Kameras verfolgten jede seiner Bewegungen. Und das Seltsame war, dass ihm keiner mehr irgendwelche Fragen zubrüllte. Das Surren der Kameras war das einzige Geräusch, das zu hören war. Sie sah zu, wie er mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern den Saal verließ. Der Inbegriff einer tragischen Gestalt.
    Nick war betroffen. Sie hatte John Rothman noch nie weinen sehen. Kurz keimte Zweifel in ihr auf, doch sie unterdrückte ihn rasch wieder, als abermals die schreckliche Angst in ihr aufkeimte, mit der sie nach dem letzten Albtraum, in dem ihr klar geworden war, dass es ein und derselbe Mann war, der die drei Anschläge auf sie verübt hatte, aufgewacht war. Der Mann, den John Rothman engagiert hatte, sie umzubringen.
    Tatsache war, dass John Rothman auch seine Exfrau aufgespürt und kaltblütig ermordet hatte. Oder hatte er denselben Mann dazu engagiert? Die Autopsie würde

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