Denk an unsere Liebe
ihr erzählen sollte, verschiedene Pointen hatte er sich zurechtgelegt. Und dann – war er nicht dazu gekommen, auch nur ein Wort zu sagen vor lauter Krankenhauspalaver.
Nicht einmal den Blumenstrauß bemerkte sie, den er auf den Fenstertisch gestellt hatte. Sie hatte nur erzählt und erzählt – und was war das Ganze im Grunde eigentlich? Nichts als eine lächerliche Geschichte von intriganten Weibern! Und nicht eine Sekunde war es ihr eingefallen, daß auch er vielleicht etwas Interessanteres zu berichten hätte.
Laut gähnend kam Toni zum Kaffee herein.
„Ich fühle mich so, als ob ich vierundzwanzig Stunden in einer Tour schlafen könnte“, verkündete sie und sank in einen Stuhl. Eivind reichte ihr die Kaffeetasse, und sie trank schweigend.
„Du, Toni“, brach es endlich aus ihm heraus, „auch ich habe dir etwas zu erzählen.“
„So, du auch? Na, dann schieß los, aber gib mir erst eine Zigarette.“
Er reichte ihr das Zigarettenkästchen, gab ihr Feuer, ließ sich Zeit dabei und wartete.
„Du wolltest mir etwas erzählen, sagtest du?“
Die Zigarette schmeckte ihr offenbar nicht, denn sie drückte sie nach einigen Zügen wieder aus.
„Ja, ich wurde heute zum Bankchef gerufen.“
„Hoppla! Du zum Bankdirektor und ich zum Chefarzt. Hast du auch einen Anpfiff bekommen?“
„Das kann man nicht gerade sagen. Gestern war Direktionssitzung. Ich habe dir nie davon erzählt, aber ich war diesen letzten Monat sehr gespannt auf diese Sitzung. Ich wollte dich nicht enttäuschen, weißt du…“
„Aber mein Lieber…“, murmelte Toni. Sie saß zurückgelehnt im Stuhle, und ihre Augen waren so schwer. Himmel, wie war sie müde!
Eivind sprach langsam, seine Stimme war leise und gleichmäßig.
„Nein, ich hoffte ja, dir eine angenehme Überraschung bereiten zu können, versteh! Und heute also – der Direktor nahm sich so viel Zeit, daß ich ganz verwundert war, er hat es sonst immer so eilig…“
Wie fern sich Eivinds Stimme anhörte! Und wie gut und weich dieser Sessel war. Ob die Oberschwester wohl noch immer rasend war? – Und wie mag es Ingenieur Wolter gehen? Er war doch im Grunde schauderhaft taktlos gewesen. Sollte sie eigentlich nochmals zu ihm gehen?
„… und dann sagte mir der Direktor das, worauf ich seit langer Zeit so gespannt war. Halt dich fest, Toni. – Ich bin befördert worden. Hundert Kronen mehr Gehalt im Monat, und vom nächsten Monat an bist du Frau Abteilungsleiter Löngard.“
Eivind schwieg und warf einen beifallheischenden, lächelnden Blick auf Toni. Sie saß und rührte sich nicht, antwortete nicht. Er beugte sich näher zu ihr hin.
Toni schlief.
Die kühle Winterluft tat Eivind gut. Heiß und hitzig hatte er sich den Mantel umgeworfen, den Hut ergriffen und war ausgegangen. Er hielt es nicht mehr aus. Er mußte gehen, gehen, Luft schnappen. Vielleicht war er kindisch, vielleicht war er empfindlich, aber die Spannung der letzten Zeit und die heutige Freude und dann die grenzenlose Enttäuschung über Tonis mangelhaftes Interesse – all dies war zuviel für ihn gewesen. Er hatte sich wie ein Kind gefreut, Blumen mit heimgebracht, und im Eisschrank stand eine halbe Flasche Champagner, damit wollten sie diesen Tag feiern.
Und dann schlief sie ein! Schlief, während er von dem erzählte, was ihm so viel bedeutete. Es war der Prüfstein für seine Tüchtigkeit, es war wirklich etwas ganz Außergewöhnliches, daß ein derart junger Mann so eine Vertrauensstellung bekam. Er hatte sich auf Tonis Glückwünsche gefreut, sich gefreut zu hören, daß sie stolz auf ihn war – und dann – schlief sie!
Aber die frische Luft machte ihn ruhiger, der rasche Gang bewirkte, daß er sich physisch wohler fühlte, und das half auch etwas, die Stimmung zu verbessern. Er ging ohne Ziel und Absicht, und erst als er hinunter in die Stadt gekommen war, entdeckte er, daß er vor der Bank stand. Da mußte er trotz allem lächeln. Sein Instinkt hatte ihn dahin geführt, wo seine Gedanken waren. Er war auf einmal ganz angetan von dieser Bank. Sie war nicht mehr eine gewöhnliche Arbeitsstätte, an der man für das tägliche Brot schuftete, sie war eine volkswirtschaftlich wichtige Einrichtung, die Einsicht, Kenntnisse und gesundes Urteilsvermögen von dem verlangte, der hier arbeitete.
Und er, Eivind Löngard, gehörte zu denen, die eine Vertrauensstellung in der Bank hatten, in diesem monumentalen, grauen Gebäude, mit den schwarzen Marmorschränken, mit den großen Gewölben und
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