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Denk an unsere Liebe

Denk an unsere Liebe

Titel: Denk an unsere Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Zärtlichkeit, Wärme und Verständnis. Er mußte sich aber selbst gestehen, daß diese Stunden immer seltener und seltener wurden. Immer war Toni müde. Immer war sie überarbeitet.
    Eivind war nicht so dumm, daß er nicht merkte, welche Anstrengung es sie kostete, mit ihm einen Abend auszugehen oder bloß eine halbe Stunde abzuschalten und sich für die sogenannte häusliche Gemütlichkeit zu opfern.
    Die Atmosphäre der Gemeinsamkeit, der Kameradschaft, des vollen Vertrauens zwischen zwei Menschen, die einander liebten – die fehlte.
    Bis zu dieser Erkenntnis war Eivind gekommen, als er seine Wohnungstür erreichte und aufschloß.
    Es war dunkel im Zimmer. Im Schlafzimmer brannte eine Nachtlampe. Toni lag im Bett und las. Er blickte auf das graue Heft, das sie in der Hand hielt.
    „Individualpsychologie bei Tuberkulosepatienten“ stand mit nüchternen schwarzen Buchstaben auf dem grauen Umschlag.
    Und plötzlich zogen sich Eivinds Nerven zusammen. Er haßte das sachliche graue Heft und wünschte, daß Toni einen albernen Frauenroman gelesen hätte, mit einem küssenden Paar auf dem Umschlag.
    Toni schaute von dem Heft auf.
    „Hallo, Eivind, bist du ausgewesen? Denk mal, ich habe gar nicht gemerkt, daß du gingst. Ich bin einfach im Stuhl eingeschlafen.“
    „Ja, das hab’ ich gesehen“, antwortete Eivind kurz.
    „Du bist ein prächtiger Ehemann“, lachte Toni, „das war nett von dir, mich nicht zu wecken. Ich hatte wirklich den Schlaf nötig.“
    „Ja, es sah so aus.“
    „Mein armer Junge, ich vernachlässige dich wohl schandbar.“
    „Ach, denke nicht daran. Ich komme schon zurecht. Und ich wußte ja von vornherein, daß deine Arbeit Nummer 1 ist und ich Nummer 2.“
    „Ach, du Quatschkopf! – Nein, Eivind, im Ernst, du ahnst nicht, wie interessant dies ist. Morgen soll ich auf die Infektionsstation. Ich bin riesig gespannt, wie das ablaufen wird. Die Psyche der Tuberkulosekranken ist eine Angelegenheit für sich, weißt du. Die schwingen zwischen dem wildesten Galgenhumor und dem strahlendsten Optimismus. Wir haben auch Fälle, wo die Patienten in ihrem eigenen Unglück wie begraben sind, aber die sind merkwürdigerweise selten. Ach, wie gern ich mal eine Zeitlang in einem Tuberkulosesanatorium…“
    „Ins Sanatorium wirst du eher kommen, als du ahnst, wenn du fortfährst, in diesem Tempo zu arbeiten“, sagte Eivind hitzig.
    „Ach, ängstige dich nicht um mich! Ich habe eine gußeiserne Gesundheit und auf der Welt den besten…“
    „Schlaf“ – unterbrach Eivind.
    „Ja, glücklicherweise. Ich muß nur diesen Abschnitt fertig lesen, dann werde ich das Licht ausmachen.“
    „Lies nur“, sagte Eivind. Er zog seinen Pyjama an und kroch unter die Daunendecke. „Mich geniert das nicht.“
    Er wandte ihr den Rücken zu und schloß die Augen. Er hörte, wie Toni die Seiten regelmäßig umblätterte, wie sie das Kissen besser zurechtrückte und wieder ein Blatt wendete.
    Dann wurde endlich das Licht ausgemacht. Eine warme Hand strich ihm über das Kinn.
    „Gute Nacht, mein Guter.“
    Aber Eivind tat, als ob er schliefe.
    Beim Frühstück am nächsten Morgen erzählte Eivind trocken und geschäftsmäßig von seiner Beförderung. So trocken und geschäftsmäßig, daß Toni im Grunde die Bedeutung der Beförderung nicht erfaßte.
    „Ach, Eivind, wie fein! Du bist aber wirklich ein tüchtiger Junge! Wir fangen tatsächlich an, erwachsen zu werden, wir zwei, du und ich. Herr Abteilungsleiter und Frau Kurator! Mein Lieber, war es deshalb, daß du gestern Blumen heimgebracht hast? Denk mal an, ich habe es nicht vor gestern abend entdeckt. Du bist zu nett, Eivind.“
    Er erwiderte den Kuß, den sie ihm gab, ziemlich kühl. Er verstand selbst nicht, was es war, das in ihm brannte. Er machte es sich nicht klar, daß es dieses „Herr Abteilungsleiter und Frau Kurator“ war. Warum konnte Toni nicht ein bißchen stolz sein, nur ein wenig stolz darauf, daß sie Frau Abteilungsleiter war?
    Was in Eivind an diesem Vormittag vorging, wußte Toni nicht, und er selbst begriff es auch kaum. Es war, als ob ein Reifeprozeß in ihm vorginge, ja, mehr als das. Eine Mischung aus verletztem Stolz, Enttäuschung, Liebe, hoffnungslosen Wünschen, Minderwertigkeitsgefühlen und Eitelkeit hatte in ihm gelegen und gegärt, und jetzt mußte bald die Explosion kommen.
    Aber Toni stand an diesem Vormittag in ihrem Büro vor einem mächtigen Blumenstrauß und las mit steigender Verwunderung die Karte, die

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