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Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Titel: Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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Gehirn Sartres ist, sondern eine eigenständige Denkerin.
    Ein unvergesslicher Augenblick für die Intellektuellengruppe im »Café Flore« ist die Befreiung Frankreichs.Plötzlich öffnet sich die Welt wieder, man kann reisen. Beauvoir lässt sich vom Schuldienst befreien und lebt fortan als freie
     Schriftstellerin. Allerdings genießt sie das Privileg, nicht ihren gesamten Lebensunterhalt selbst verdienen zu müssen. Sartres
     Theaterstücke sind so erfolgreich, dass Beauvoir an seinem finanziellen Erfolg partizipieren kann. So kann sie ein Leben ganz
     nach ihrem Geschmack führen, das vor allem gekennzeichnet ist durch Bewegung: Wanderungen und Reisen und schließlich einige
     Jahre später die Fahrten mit ihrem Auto bedeuten Beauvoir sehr viel. Die Vorstellung von der Welt, die den Menschen braucht,
     um wirklich zu sein, bewahrheitet sich erneut für Beauvoir. Wenn sie sich eine Landschaft gehend oder fahrend erschließt,
     hat sie den Eindruck, sie selbst rufe die Bilder hervor, die sich ihr bieten.
    Einfach nur genießen kann sie diese Reisen nicht. Die Erfahrungen des Krieges haben sie hellsichtiger gemacht für die Probleme
     der Menschen, und so schaut sie genauer hin. Besonders lehrreich in dieser Hinsicht ist Portugal: Die erste Reise nach dem
     Krieg führt sie 1945 in dieses landschaftlich zauberhafte Land mit den scharfen sozialen Gegensätzen. Es ist ihr Anliegen,
     hinter die pittoreske Maske zu schauen. Die Frucht ihrer Beobachtungen ist der Roman
Die Mandarins von Paris,
dessen Hauptfigur Henri die Autorin eigene Gedanken in den Mund legt. Für Henri gibt es einerseits den ästhetischen Blick
     auf ein Land und den Blick, der den Schleier der Schönheit lüftet und dahinter die Kehrseite der Medaille erblickt: Armut
     und die Not der Menschen. Er schließt sich daraufhin den Kommunisten an.
    Auch Beauvoir und Sartre sehen sich politisch am ehesten in der Nähe der Kommunisten. In die Partei treten sieaber nicht ein. Sartre steht stärker in der Öffentlichkeit, sodass Beauvoir im Hintergrund agieren und sich den Fragen zuwenden
     kann, die sie persönlich am meisten betreffen. Sie fängt an, sich theoretisch mit der jahrhundertelangen Benachteiligung der
     Frau auseinanderzusetzen, und schreibt das Buch, das sie vor allen anderen berühmt machen wird:
Das andere Geschlecht.
    Es schließt direkt an den Essay über die Doppelsinnigkeit der Moral an. Dort ging es um Bewegung, um das Nicht-Stillhalten
     angesichts der Ungerechtigkeit in der Welt, um ein Sich-Verwirklichen im Zugehen auf andere. Beauvoir beobachtet, dass gerade
     dies aber die Rolle der Frau war‹, und zwar über die Jahrhunderte hinweg: still und bewegungslos zu sein. Die Souveränität
     des Mannes hat die Frau zu einem Gegenstand erniedrigt, zu einem Wesen, das sich nicht schöpferisch ausleben kann. »Die häuslichen
     Tätigkeiten, denen sie sich widmet, da nur diese mit den Lasten der Mutterschaft sich vereinigen lassen, beschränken sie auf
     Wiederholung und Immarenz. Tag für Tag kehren sie in gleicher Form wieder, die fast unverändert die Jahrhunderte überdauert;
     es geht nichts Neues aus ihnen hervor.« 17 Die Frau ist für Beauvoir »das andere« zum Mann, also nicht nur der andere Mensch, mit dem er die Welt teilt, sondern etwas
     Fremdes, fast Bedrohliches. Die Herrschaft des Mannes hat es so weit kommen lassen, und es ist keineswegs die Natur der Frau,
     die sie dafür vorbestimmt hätte. Ein berühmter Satz Beauvoirs lautet: »Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.« 18 In Wirklichkeit aber, und hier liegt der Neuansatz Beauvoirs, geht es darum zu sehen, dass man sich nicht als Mann oder Frau,
     sondern als Mensch zu verwirklichen habe.
    Um ihr Buch auf einem soliden Fundament aufbauenzu können, verbringt Beauvoir viele Stunden vor riesigen Wälzern mit soziologischen und kulturhistorischen Studien zur Geschichte
     des Frauenbildes. Bezeichnend ist, dass sie immer exakt forscht, die Fakten sichert und gleichzeitig diese Fakten in eine
     eigenständige denkerische Ordnung bringt. Jede Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema muss sich immer auch mit den
     faktischen Gegebenheiten beschäftigen.
    Das andere Geschlecht
erscheint 1949 und stößt auf heftige Kritik. Die Zeit ruft nach Mutterschaft und häuslichem Glück und so wird Beauvoirs Buch
     eher als unpassend angesehen. Es wird jedoch nicht lange dauern, und Beauvoirs Werk wird zu einer Art Kultbuch der neuen Frauenbewegung
     werden.
    Beauvoirs

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