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Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Titel: Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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Kinder nicht kümmert, nicht mehr als eine menschliche
     Gesellschaft zu bezeichnen. Die Menschlichkeit einer Gesellschaft lässt sich daran erkennen, inwieweit sie kindliche Bedürfnisse
     anerkennt und unterstützt.
    Auf dem Weg zum Erwachsenwerden kommt etwas hinzu, das Nussbaum die
Praktische Vernunft
nennt und als eine Fähigkeit beschreibt, die viele verschiedene Formen annehmen kann. Dazu gehören ein lebenslanges Pläneschmieden,
     der Wunsch, Gedanken zu Taten werden zu lassen, Wahlfreiheit, Urteilsvermögen und Selbstständigkeit im Handeln. Der Grad dieser
     Wünsche ist natürlich sehr unterschiedlich, aber alle Menschen haben auf jeden Fall teil daran, meint Martha Nussbaum.
    Eine ganz entscheidende Tatsache menschlichen Lebens ist die Möglichkeit zur
Verbundenheit
mit anderen Menschen, anderen Arten und der Natur. Martha Nussbaum ist der Ansicht, dass ein Leben, das diese Verbundenheit
     nicht kennt, kein wirklich lebenswertes Leben ist. Dabei geht es nicht nur um private, persönliche Beziehungen, sondern auch
     um Beziehungen innerhalb des gesellschaftlichen und politischen Bereichs. Außerdem stehen wir Menschen in einem permanenten
     Bezug zur Natur, zu Tieren und Pflanzen. Wir müssen ihnen gegenüber Respekt zeigen und sorgsam mit ihnen umgehen.
    Wunderbare gemeinsame Eigenschaften der Menschen sind ihr Bedürfnis nach
Erholung
und
Spiel
und ihre Fähigkeit
zu lachen.
In allen Kulturen wird gespielt und gelacht und menschliches Leben ist ohne das Lachen nicht vorstellbar: »Die Formen, die
     das Spielen annimmt, sind ungeheuer vielfältig – und dennoch erkennen wir über die kulturellen Barrieren hinweg andere Menschen
     als Wesen, die lachen.« 15
    Diese Verbundenheit kann aber nicht getrennt von einem anderen Phänomen betrachtet werden, dem des
Getrenntseins.
Jeder Mensch nämlich ist auch ein Wesen für sich, denkt und handelt als Individuum. Die Einzelnen können aufeinander zugehen,
     aber sie können nicht miteinander verschmelzen. Man geht seinen Weg, den andere begleiten können, aber es bleibt doch mein
     Weg. Und es ist auch so, dass die Menschen dies brauchen. Sie müssen sagen dürfen, das ist mein, es gehört mir und niemandem
     sonst. »Und die Menschen erkennen sich im Großen und Ganzen als Wesen, die zumindest einen gewissen eigenen Bereich haben
     möchten, einen kleinen Raum, in dem sie sich bewegen, einige spezielle Dinge, die sie benutzen oder lieben können.« 16
     
    Nussbaum nennt ihre Liste eine »Fähigkeiten (capabilities)-Liste«. Sie will damit eine Diskussion in Gang bringen über das,
     was Menschen brauchen, um menschenwürdig leben zu können. Sie sollen das Gefühl haben, ein »gutes« Leben zu haben. Möglichkeiten
     und Grenzen machen das Leben eines jeden von uns aus. Und dies soll auch für jeden gelten unabhängig von seiner Kultur, seiner
     Rasse oder Religionszugehörigkeit. »Ich meine, dass ein Leben, dem eine dieser Fähigkeiten fehlt, kein gutes menschliches
     Leben ist, unabhängig davon, was es sonst noch aufweisen mag.« 17 Interessant ist nun natürlich vor allem, dass diese von Nussbaumerstellte Liste, indem sie den Anspruch erhebt, für alle Menschen zu gelten, die Frauen notwendig miteinbezieht. Damit tritt
     Nussbaum hier für die absolute Gleichheit von Mann und Frau ein. Mit ihren Forderungen nach einer Verwirklichung dessen, was
     die Menschen an Fähigkeiten haben, tritt sie an die Politik heran. Deren Aufgabe sei es, Menschen davor zu bewahren, ihre
     Möglichkeiten nicht leben zu können. Die Bürger eines Staates müssten an wichtigen Tätigkeiten und Aufgaben beteiligt werden.
     Bei der Ausarbeitung dieser Fragen hat Nussbaum mit dem Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen zusammengearbeitet, vor allem
     in den Jahren 1987 bis 1989.   Amartya Sen, geboren 1933, erhielt 1998 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften und lehrt an der Universität Cambridge.
     In der Einleitung zu seinem Buch
Ökonomie für den Menschen
schreibt er: »Wenn wir die uns bedrängenden Probleme lösen wollen, müssen wir in der Freiheit des Einzelnen ein soziales Gebot
     sehen.« 18 Die Politik hat die Verpflichtung, sich darum zu kümmern, dass Menschen nicht in Unfreiheit geraten, dass ihnen Möglichkeiten
     geboten werden, Grundfähigkeiten auszuleben und sich am öffentlichen Leben intensiv zu beteiligen. Nussbaum schätzt es ungemein,
     dass Sen ein Hauptaugenmerk auf die Sicherung der Lebensqualität von Frauen legt. Nicht nur das

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