Denken hilft - frische Ideen für Gedächtnis und Kreativität
können nicht identifiziert werden, weil keiner weiÃ, wer wirklich alles im Saal war. Böse Geschichte. Einzig und allein Simonides könnte Auskunft geben. Aber die Chancen dafür scheinen gering. Das Wunder gelingt trotzdem. Simonides konzentriert sich â und erinnert alle Gäste und deren genaue Position im eingestürzten Saal. Wie war das möglich? Simonides hatte sich das Bild des Raumes ins Gedächtnis gerufen, diesen Raum im Geiste abgeschritten und dabei alle Gäste mental wieder zum Leben erweckt. Eine reife Leistung dank bildlicher Vorstellungskraft. Merken Sie was? Diese Legende um die Entstehung der Gedächtniskunst ist ein so starkes Bild, eine so blutrünstige Geschichte, dass man sie kaum wieder vergessen kann. In der Legende selbst kommt die Methode schon zur Anwendung.
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Die Denktechnik des Simonides wird heute als »Loci-Methode« bezeichnet und in jedem Gedächtnistraining vermittelt: Man stelle sich einen Raum vor, definiere in diesem Raum eine Route und
platziere entlang dieser Route die Informationen, die man sich merken möchte â und zwar in möglichst bildlicher Form. Wir werden in diesem Kapitel noch einmal darauf zurückkommen.
In der Antike war die Mnemotechnik eine echte Innovation. Man hatte ja noch keine USB-Sticks oder andere digitale Speichermedien, und selbst der Buchdruck sollte erst 2000 Jahre später erfunden werden. Wohin also mit dem ganzen Wissen? In den Kopf! Die Mnemotechnik machte es möglich, eine groÃe Menge an Informationen sicher abzuspeichern â und wieder abzurufen. Mit dem Untergang des Römischen Reiches allerding ging auch die Mnemotechnik für viele Jahrhunderte verloren. Welche Ironie des Schicksals: Ausgerechnet die Gedächtniskunst wurde vergessen. Erst im späten Mittelalter tauchte sie wieder auf. Gaukler führten ihre Gehirnakrobatik einem verblüfften Publikum auf dem Jahrmarkt vor. Cicero hätte sich im Grabe umgedreht. Denn statt die Gedächtniskunst zu lehren, wurde sie als Geheimwissen gehütet. Visualisieren
und Assoziieren? Teufelswerk! Verraten wurden die Tricks nur vom Meister an den Schüler, oder in Zauberbüchern. Und in einem solchen habe auch ich die Mnemotechnik entdeckt  â das Buch trug den Titel »13 Stufen zur Mentalmagie«.
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Unser mentaler Speicher war eine dunkle Kammer, bis 1885 ein deutscher Psychologe anfing, das Gedächtnis empirisch zu erforschen: Hermann Ebbinghaus. Von Neugierde getrieben hat er stundenlang Listen sinnloser Silben auswendig gelernt. Und das nur, um herauszufinden, wann er sie wieder vergessen hat. Sie müssen sich das vorstellen! Der arme Kerl. Hockt zu Hause und lernt sinnlose Silben auswendig. Das würde heute kein Mensch mehr tun â auÃer beim Blättern im IKEA-Katalog. Trotzdem: Die Arbeit von Ebbinghaus gilt als Meilenstein in der Psychologie, denn er konnte seine Ergebnisse in Zahlen, Kurven und Diagrammen darstellen. Und das war State of the Art am Ende des 19. Jahrhunderts. Seine Lernkurve und seine Vergessenskurve wurden weltberühmt. Zumindest in der Welt der Wissenschaft.
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Ebbinghaus konnte vieles erklären, aber seine empirischen Methoden reichten nicht aus, um das Geheimnis der Gedächtniskünstler zu lüften: Vorstellungskraft und Assoziationen. Da stand die Wissenschaft zunächst wie der Ochs vorm Berg. Erst ab Mitte des letzten Jahrhunderts, mit Entstehen der kognitiven Psychologie, wurde die mentale Informationsverarbeitung zum Forschungsinhalt. Und erst seit wenigen Jahrzehnten gibt es einen Forschungszweig, der sich mit dem Generieren mentaler Bilder und deren Wirkung beschäftigt: Imagery. Erst ganz langsam verstehen wir, was sich in den Gehirnen der Gedächtniskünstler wirklich abspielt, wie Bilder im Kopf als Tuning fürs Gedächtnis funktionieren.
Bilder im Kopf sind das Salz in der Suppe
Ãber unsere Fähigkeit, Bilder im Kopf zu erzeugen, um Gedächtnislücken zu vermeiden.
Zwei ältere Paare gehen spazieren. Die Herren spazieren ein paar Meter vor den Damen. Einer der beiden erzählt dem anderen: »Gestern war unser Hochzeitstag. Wir waren in einem vorzüglichen Restaurant.«
Der andere fragt zurück: »In welchem denn?«
»Ich komme gerade nicht auf den Namen.«
»Vielleicht erinnerst du dich an den ersten Buchstaben?«
»Nein, leider nicht.«
»War der Name lang oder kurz?«
»WeiÃ
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